Der Fall Glöckner vs. Parlament

Die Stadtverordneten beschließen einstimmig Klage gegen den Bürgermeister auf Veröffentlichung der HSGB-Stellungnahmen zum Neubaugebiet „Mittlauer Weg“ GNZ 11.12.2020

Gelnhausen (dan). „Liebe Pia, dann sehen wir uns eben vor Gericht.“ Fast schon lakonisch hat Bürgermeister Daniel Glöckner (FDP) am Mittwochabend zur Kenntnis genommen, dass die Stadtverordneten gegen ihn vors Verwaltungsgericht ziehen wollen. Einstimmig stimmten die Fraktionen für einen entsprechenden Antrag von CDU, BG und Grünen, juristische Schritte gegen den Rathauschef zu unternehmen.

Der Grund für die Eskalation zwischen Stadtverordneten und Bürgermeister: Der Rathauschef weigert sich nach wie vor, die Stellungnahmen des Hessischen Städte- und Gemeindebunds (HSGB) zu den Vorgängen im Meerholzer Neubaugebiet „Mittlauer Weg“ herauszugeben. Gegen einen entsprechenden, ebenfalls einstimmig gefassten Parlamentsbeschluss hatte Glöckner zunächst Widerspruch angemeldet. Nachdem dieser – erneut einstimmig – von den Fraktionen abgeschmettert worden war, ging der Bürgermeister den nächsten formalen Schritt und beanstandete den Stadtverordnetenbeschluss.

Die Folge: Gegen diese Beanstandung wollen sich die Fraktionen nun juristisch zur Wehr setzen und eine Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht anstrengen. Auch die Möglichkeit eines Eilverfahrens soll geprüft werden. „Ein entsprechender Brief an die Kanzlei ist bereits vorbereitet“, informierte Stadtverordnetenvorsteherin Pia Horst (parteilos) am Mittwochabend in der Parlamentssitzung. Glöckners Bemerkung, er habe überhaupt kein Problem mit einer juristischen Auseinandersetzung mit den Stadtverordneten, entgegnete Horst: „Ich weise darauf hin, dass dies ein völlig legitimes demokratisches Instrument ist. Es geht nicht darum, ob ich jemandem wohlgesonnen bin oder nicht.“

Der verwaltungsrechtliche Streit zwischen Bürgermeister und dem Parlament als höchsten Gremium der Stadt ist der vorläufige Höhepunkt der Aufarbeitung im „Mittlauer Weg“. Während der Rathauschef in der Auseinandersetzung weiterhin den Standpunkt vertritt, der Stadtverordnetenbeschluss verletze das sogenannte Mündlichkeitsprinzip und damit das Recht, konnte dieses Argument auch am Mittwochabend die Fraktionen nicht überzeugen. Selbst die Glöckner sonst häufig verteidigenden Sozialdemokraten stimmten für den Antrag der Opposition. So betonte etwa SPD-Fraktionschef Ewald Desch, Glöckners Begründung für Widerspruch und Beanstandung hätten auch ihn nicht überzeugt. (….)

CDU, BG und Grüne hatten in der Sitzung der Stadtverordneten am Mittwochabend ihre bereits bekannte Position erneuert. So betonte CDU-Stadtverordnete Petra Schott-Pfeifer, der Bürgermeister hätte jede Gelegenheit gehabt, die HSGB-Stellungnahmen öffentlich vorzutragen, wenn er sich an das Mündlichkeitsprinzip gebunden fühle: „Das hat er erkennbar aber nicht gemacht.“

BG-Fraktionschef Bodo Delhey versuchte, die komplexe Materie zu vereinfachen: „Wir müssen uns bewusst machen, wovon hier überhaupt die Rede ist. Es wird etwas hochtrabend immer von juristischer Expertise und Gutachten gesprochen. Das ist aber falsch.“ Die HSGB-Stellungnahmen beinhalteten lediglich Antworten auf 23 Fragen, die der Akteneinsichtsausschuss „Mittlauer Weg“ formuliert und über den Bürgermeister an Städte- und Gemeindebund gesendet habe, um eine juristische Einschätzung auf offene Fragen zu erhalten: „Es ist doch normal und richtig, dass wir als Fragesteller auch Antworten auf unsere Fragen bekommen. Das ist doch eine Selbstverständlichkeit, damit wir als Akteneinsichtsausschuss klären können, was im Mittlauer Weg vorgefallen ist oder auch nicht“, meinte Delhey.

Und Uwe Leinhaas (Grüne) befand: „Die Stellungnahmen des HSGB sind das, was wir uns bei der Einrichtung des Akteneinsichtsausschusses erhofft haben. Es ist traurig, welche Farce sich daraus entwickelt hat.“ Mit dieser „Farce“ werden sich nun also zunächst Anwälte und dann wohl auch das Verwaltungsgericht befassen müssen – Ausgang derzeit völlig offen.