Der geheime Informant der „Bürgerinitiative Mittlauer Weg“

Im Mittlauer Weg ist ein brisantes Schreiben der Bürgerinitiative aufgetaucht: Sie hat offenbar einen Spitzel in einer nicht öffentlich tagenden Kommission sitzen

Von Matthias Boll GNZ 01.03.2023

Gelnhausen-Meerholz. Dass die „Bürgerinitiative Mittlauer Weg“ über beste Kontakte in die Stadtpolitik verfügt, ist inzwischen bekannt. Dass diese Beziehungen jedoch so weitreichend sind, ist neu und zugleich äußerst brisant: Offenbar hat die BI einen geheimen Informanten in der „Kommission Mittlauer Weg“ sitzen, der vertrauliche Inhalte aus dem nicht öffentlich tagenden Gremium an die Bürgerinitiative weitergibt. Das geht aus einem Schreiben hervor, das die BI an ihre Mitstreiter geschickt hat und das der GNZ vorliegt.

„Hallo liebe Leidtragende des Grünflächen-Streites“, beginnt der Beitrag der BI, der deren offizielles Emblem im Briefkopf trägt. Die Anrede sowie die weitere Einleitung legen nahe, dass es sich um ein internes Schreiben handelt, das sich eigentlich an einen geschlossenen Verteilerkreis richtet. Aufgrund seines brisanten Inhalts landete es jedoch über verschiedene Kanäle letztlich auch bei der GNZ.

Inhaltlich geht es im Schreiben der BI um einen Zwischenstand aus der „Kommission Mittlauer Weg“. Deren Einsetzung hatte der Magistrat im Oktober 2022 beschlossen. Das Gremium sollte aus dem Bürgermeister, Mitgliedern des Magistrats und sämtlichen Vertretern des Bauausschusses bestehen. Aufgabe der Kommission ist es, die Vorschläge und Einwände aller beteiligten Anwohnergruppen des Neubaugebietes zu sichten und entsprechende Vorschläge für eine Änderung des Bebauungsplans zu erarbeiten, über den am Ende die Stadtverordneten abstimmen müssen. Hintergrund ist der inzwischen seit Mai 2019 schwelende Konflikt um den Verkauf öffentlicher Grünflächen an Privatpersonen im Meerholzer Neubaugebiet seitens der Stadt.

Die „Kommission Mittlauer Weg“ tagt nicht öffentlich. Informationen über mögliche Ergebnisse oder einen aktuellen Zwischenstand des Gremiums wurden bislang seitens des Gelnhäuser Rathauses nicht kommuniziert. Auch eine entsprechende GNZ-Anfrage an Bürgermeister Daniel Glöckner (FDP) blieb gestern unbeantwortet.

„Frau xxx treibt dort ihr Unwesen“

Im Schreiben an ihre Mitstreiter gibt die BI aus ihrer Sicht einen Überblick über den aktuellen Sachstand in der Kommission – und beruft sich dabei auf „unseren Informanten“, wie es gegen Ende des Beitrags wörtlich heißt. Dieser hat nämlich einen von der Wählergruppe „Gelnhausen plus“ vorgebrachten Vorschlag wohl nicht verstanden, wie er es gegenüber der Bürgerinitiative offenbar zu Protokoll gab.

Zuvor beschäftigt sich die BI in ihrem Beitrag mit den aktuellen Positionen der anderen Fraktionen des Stadtparlaments: „Nun zu den Parteien. Es gibt wohl sehr kontroverse Ansätze. Wir versuchen Euch mal diese, soweit wir es herausfinden konnten, zu erläutern.“ Dabei beschränkt sich die BI aber nicht auf die Weitergabe vertraulicher Inhalte aus einer nicht öffentlich tagenden Kommission. Sie nennt in diesem Kontext auch explizit Personen, die im Mittlauer Weg wohnen und nicht dieselbe Meinung wie sie vertreten, namentlich.

Los geht es mit der CDU, die laut BI „die wohl extremste Ansicht vertritt“. Ergänzend ihr Hinweis in Klammern: „Hier ist aus unserem Neubaugebiet Herr xxx (Anm. d. Red.: Wir verzichten an dieser Stelle und im Folgenden zum Schutz der betroffenen Anwohner auf die Nennung der Namen) aktiv, allerdings nicht im Gremium.“ Die CDU vertrete nach wie vor die Auffassung, dass der B-Plan eins zu eins umgesetzt werden soll.

„Das andere Extrem, aber im positiven Sinne, ist die SPD“, so die BI. Diese plädiere für die bereits ausgearbeitete neue Version des B-Plans, die den Status Quo festschreiben und auch weitere Verkäufe von öffentlichen Grünflächen ermöglichen würde. Weiter heißt es in dem Schreiben: „Grüne (mit der Vorsitzenden xxx (natürlich aber nicht im Gremium)) und BG (Frau xxx treibt dort ihr Unwesen, natürlich auch nicht im Gremium) plädieren für eine vergiftete 5-Meter-Lösung. Sie wollen nämlich die 5 Meter überall als Bauland ausweisen und dafür Baulandpreise nachfordern.“ Dem schließe sich wohl auch „Gelnhausen nachhaltig“ an. Die FDP habe sich offenbar noch nicht positioniert, wolle aber zum nächsten Treffen einen Vorschlag beitragen.

Und der Bürgermeister? Drückeberger, wie immer!“

Zum Schluss bekommt auch Bürgermeister Glöckner noch sein Fett weg: „Es gab wohl zudem eine Beschwerde, dass der Bürgermeister, als befangene Person, an den Treffen teilnehmen würde. Er hat die Vorlage wohl dankend angenommen und will sich nun nicht mehr an den Runden beteiligen. Drückeberger, wie immer!“ Das Schreiben endet nach dem Verweis auf ein nächstes Treffen der Kommission in zwei Wochen mit dem Hinweis: „Mehr Infos haben wir erstmal nicht bekommen. Es bleibt spannend. VG Eure BI.

Zum Hintergrund: Die „Bürgerinitiative Mittlauer Weg“

Die Stadt Gelnhausen hatte zwischen 2016 und 2018 insgesamt 29 öffentliche Grünflächen im Mittlauer Weg verkauft und verpachtet – und damit gegen den eigenen Bebauungsplan verstoßen. Grundlage für die Veräußerungen war ein Beschluss des Magistrats vom 5. Januar 2016. Das Problem: Das Gremium mit dem damaligen Bürgermeister und heutigen Landrat Thorsten Stolz (SPD) an der Spitze war zum einen zu einer solch weitreichenden Entscheidung nicht berechtigt gewesen, da diese eigentlich in die Zuständigkeit der Stadtverordnetenversammlung als oberstem Organ gefallen wäre, zum anderen liegt der vom Magistrat festgelegte Kaufpreis von 38,50 Euro pro Quadratmeter deutlich unter dem tatsächlichen Wert der Grundstücke und widerspricht daher dem Grundsatz einer sparsamen Haushaltsführung, wie die Juristen des Hessischen Städte- und Gemeindebundes in einer rechtlichen Stellungnahme festgestellt hatten.

Unabhängig davon sind die Kaufverträge zwischen den Anwohnern und der Stadt rechtswirksam – einschließlich einer Klausel, die eine Einfriedung der Grünflächen explizit gestattet. Aber trotz der zivilrechtlichen Legitimation verstoßen die auf öffentlichen Flächen errichteten Zäune gegen den gültigen B-Plan. Das wiederum hat die Bauaufsicht des Main-Kinzig-Kreises auf den Plan gerufen, die seit November 2021 auf Anordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt gegen die Einfriedungen vorgeht.

In dieser schwierigen Gemengelage hatte sich im November 2021 die „Bürgerinitiative Mittlauer Weg“ gegründet. Darin schlossen sich Anwohner zusammen, die von den zwar rechtswirksamen, aber politisch und baurechtlich nicht legitimierten Grünflächenverkäufen profitiert haben.

20 Käufer und neun Pächter öffentlicher Flächen gibt es im Meerholzer Neubaugebiet, das insgesamt rund 160 Bauplätze umfasst. Die Bürgerinitiative vertritt also die Interessen einer Minderheit im Mittlauer Weg. (mb)