Städtisches Tafelsilber nicht verhökern

Finanzausschuss soll über Preisgestaltung beim Verkauf städtischer Grundstücke beraten GNZ 11.12.2021

Gelnhausen (mab). Vor der anstehenden Entwicklung der Gelnhäuser Südstadt diskutieren die Stadtverordneten über die Verkaufspreise kommunaler Grundstücke. In die jüngste Sitzung am Mittwoch hatten CDU und BG einen Antrag eingebracht, der fordert, Flächen nur noch zu den jeweiligen Marktpreisen an private Investoren zu veräußern. Geschlossen überwiesen die Parlamentarier die Vorlage zur weiteren Beratung in den Haupt- und Finanzausschuss.

Spätestens seit dem Verkauf der öffentlichen Grünflächen im Neubaugebiet Mittlauer Weg im Jahr 2016, die laut einer Stellungnahme des Hessischen Städte- und Gemeindebundes weit unter Wert über den Tisch gingen, ist in Gelnhausen ein Streit über angemessene Grundstückspreise beim Verkauf an private Bauherren entbrannt. Und dabei geht es nicht nur um Familienhäuser. Schon als die Stadt im Sommer die Flächen am ehemaligen Modehaus Böhm an den Main-Kinzig-Kreis veräußerte, war die Frage aufgekommen, ob sich die Kommune hierbei an den Bodenrichtwerten oder den Marktpreisen orientieren solle. Letztere liegen oft deutlich über den Richtwerten, die aus den durchschnittlichen Preisen der zurückliegenden Jahre ermittelt werden. „Da der Verkauf der Grundstücke der Erweiterung der Philipp-Reis-Schule diente, fanden wir es akzeptabel, von den Marktpreisen abzuweichen“, sagt Mario Röder (BG) im Gespräch mit der GNZ. Anders sehe es im Falle privater Investoren aus.

Einfluss auf Toplagen dauerhaft sichern

Dabei denken die Antragsteller unter anderem an das Joh-Gelände und den Parkplatz am Triangulum. Für beide Flächen gibt es laut Röder Interessenten. Und die sollen nun aus Sicht von CDU und BG einen angemessenen Betrag für die städtischen Filetflächen zahlen. „Es gibt keinen Grund, Investoren, die von der Stadt kaufen, besser zu stellen als solche, die von privaten Dritten kaufen. Dies verstößt gegen die Gleichbehandlung, ganz abgesehen von den vergaberechtlichen Konsequenzen“, meinte Röder im Stadtparlament. Das Anwaltsbüro, das den geplanten Verkauf des Joh-Areals an die Kreissparkasse geprüft habe, sei zum Schluss gekommen, dass die Transaktion ohne EU-weite Ausschreibung dann rechtlich unbedenklich gewesen wäre, wenn die vollen Marktpreise zum Zuge gekommen wären.

Die Pläne der Sparkasse für das Areal sind bekanntlich Geschichte. „Für künftige Vorhaben sollte sich die Stadt aber absichern und allein deshalb ihre Grundstücke nicht unter Wert veräußern“, ist Röder überzeugt. Unterschiedliche Projekte in den vergangenen Jahren hätten gezeigt, dass, wenn die Grundstücke zum Einstandspreis weitergegeben werden, die Stadt oft auf den Kosten für Planung, Gutachten und sonstigen Kosten sitzen bleibe. Aus diesem Grund fordert der Antrag, beim Verkauf von Flächen zum Zweck der Entwicklung mindestens mit einem kostendeckenden Aufschlag zu veräußern. „Es ist nicht einzusehen, warum die Stadt auf diesen Kosten sitzen bleiben sollte“, heißt es in der Antragsbegründung.

„Bauland, insbesondere in Toplagen, ist heute ein knappes Gut. Investoren zahlen dabei regelmäßig deutlich mehr als den Bodenrichtwert“, sagte Röder am Mittwoch. Während diese auf Grundlage der Durchschnittspreise der Vorjahre ermittelt werden, also die Vergangenheit spiegeln, kann der Marktpreis deutlich darüber liegen. Damit die Stadt auch langfristig Einfluss auf die Entwicklung in guten Lagen nehmen könne, sei in jedem Fall dem Verkauf ein Erbpachtmodell vorzuziehen, das sich ebenfalls an den Marktpreisen orientieren soll. Auch dies ist Bestandteil des gemeinsamen Antrags von CDU und BG.

Ausschuss soll über Befreiungen von den Leitsätzen diskutieren

Mit dem müssen sich nun die Mitglieder des Haupt- und Finanzausschusses beschäftigen. Auf Antrag von SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Susanne Turlach überwiesen die Stadtverordneten die Vorlage geschlossen zur weiteren Beratung in das Fachgremium. Zwar sei sie mit der Intention der Forderungen einverstanden, allerdings gelte es aus ihrer Sicht, mehrere Punkte in der Vorlage zu konkretisieren, meinte die Sozialdemokratin. „Wir müssen dringend klären, ob mögliche Befreiungen von den vorgeschlagenen Leitsätzen möglich oder gewünscht sind.“ In der Begründung der Beschlussvorlage heißt es hierzu: „Gegenüber Körperschaften öffentlichen Rechts können dabei Ausnahmen gemacht werden, allerdings darf der Verkaufspreis nicht unter dem Bodenrichtwert beziehungsweise unter den Einstandskosten inklusive der entstandenen Kosten der Stadt liegen.“ Grünen-Fraktionschef Jakob Mähler forderte zu klären, ob weitere Lockerungen für soziale und caritative Verbände ermöglicht werden sollen.

Harsche Kritik am Vorstoß von CDU und BG übte dagegen FDP-Fraktionsvorsitzender Kolja Saß, und er hatte dabei auch Familien im Blick. „Zu Ende gedacht, läuft der Antrag auf die Versteigerung von Grundstücken hinaus. Wollen wir wirklich, dass sich nur noch Millionäre der Multimillionäre Wohnraum für sich und ihre Kinder in Gelnhausen leisten können?“ In seiner derzeitigen Form könne die Vorlage nicht verabschiedet werden.

Unter anderem forderte der Liberale eine Diskussion über mögliche Kriterien für eine Grundstücksvergabe nach sozialen Gesichtspunkten. Zudem müsse sichergestellt sein, dass der Kreis die Stadt nicht als Schulstandort aufgebe, sollten keine Möglichkeiten zur Erweiterung der Bildungseinrichtungen vorhanden sein. Die Frage betreffe auch die Ansiedlung qualitativer Unternehmen. Der Preis allein, das machte die Diskussion am Mittwoch deutlich, dürfte künftig also nicht das einzige Kriterium für den Verkauf städtischer Flächen sein.