Vorermittlungen gegen politische Verantwortliche und leitende Verwaltungsmitarbeiter eingestellt. Kommunalaufsicht führt Verfahren gegen Glöckner und Stolz weiter. Deren Ergebnisse könnten die Staatsanwaltschaft wieder ins Spiel bringen.
Von David Noll GNZ 04.03.2021
Gelnhausen. Die Staatsanwaltschaft Hanau hat Vorermittlungen gegen die Verantwortlichen der Grünflächen-Verkäufe im Meerholzer Neubaugebiet „Mittlauer Weg“ eingestellt. Eine Sprecherin der Strafverfolgungsbehörde bestätigte auf Anfrage der GNZ, dass drei Fraktionen des Stadtparlaments Strafanzeige gestellt hatten. Im Fokus der Anzeige standen vier Personen: der frühere Bürgermeister der Barbarossastadt, Thorsten Stolz, sein Nachfolger im Rathaus, Daniel Glöckner, sowie zwei frühere leitende Mitarbeiter der Stadtverwaltung. Die Anzeigenerstatter bezichtigten die genannten Personen unter anderem der Untreue, aber auch der Vorteilsnahme im Amt. Einen solchen Anfangsverdacht konnte die Staatsanwaltschaft nach Prüfung verschiedener Dokumente nicht erkennen und lehnte weitere Ermittlungen ab. Allerdings mit einer Hintertür: Sollten Prüfungen der Kommunalaufsicht neue Verdachtsmomente ergeben, könnten Ermittlungen doch aufgenommen werden. Diese verwaltungsrechtlichen Prüfungen werden derzeit von der Kommunalaufsicht des Main-Kinzig-Kreises sowie vom Regierungspräsidium Darmstadt geführt.
Die nun negativ beschiedenen Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft sind das vorerst letzte Kapitel im seit fast zwei Jahren schwelenden Streit rund um die Vorgänge im „Mittlauer Weg“. Kern des Streits sind die Verkäufe und Verpachtungen öffentlicher Grünflächen an Anwohner des Baugebiets. Das Thema beschäftigt seit Monaten nicht nur zwei Akteneinsichtsausschüsse der Stadtverordnetenversammlung, sondern zunehmend auch Juristen.
Strafanzeige durch drei Fraktionen, allerdings nicht im Namen des Parlaments
Im vergangenen Herbst hatten die Stadtverordneten mehrheitlich beschlossen, die Staatsanwaltschaft mit einer Prüfung der Vorgänge zu betrauen. Umgesetzt wurde dieser Beschluss bis dato nicht. Bürgermeister Daniel Glöckner wollte nach eigenen Angaben zunächst einen Rechtsanwalt beauftragen, verschiedene Aspekte des Parlamentsbeschlusses zu überprüfen. Stattdessen sind nun die Fraktionen von CDU, Grünen und BG den Weg zur Staatsanwaltschaft gegangen, um den Gesamtkomplex „Mittlauer Weg“ juristisch zu durchleuchten.
Öffentlich wurden die Vorermittlungen erst durch eine Tischvorlage, die Stadtverordnetenvorsteherin Pia Horst (fraktionslos) vergangenen Mittwoch in der Parlamentssitzung verteilte. Die Vorlage enthält ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Hanau, datiert auf den 27. Januar. In diesem teilt die Strafverfolgungsbehörde mit, dass die „durchgeführten Vorermittlungen keinen Anfangsverdacht für Straftaten der beanzeigten Personen“ ergeben hätten. Dass das Schreiben der Staatsanwaltschaft an Parlamentschefin Horst adressiert war, hatte unter den Stadtverordneten für Irritationen gesorgt. Auch Horst wies darauf hin, dass ihr keine Strafanzeige durch die Stadtverordnetenversammlung bekannt sei. So stand die Frage im Raum, ob die Anzeigenerstatter unabgestimmt im Namen des Parlaments gehandelt haben könnten.
Auf Anfrage der GNZ berichtete die stellvertretende Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Hanau, Lisa Pohlmann, dass die Strafanzeige im Namen der „Stadtverordnetenversammlung der Stadt Gelnhausen, die Fraktionen Bünd-nis90/Die Grünen, Bürger für Gelnhausen und CDU“ erstattet worden sei. Das klingt auf den ersten Blick tatsächlich irritierend. Auf Anfrage der GNZ haben die drei genannten Fraktionen daher der Redaktion die relevanten Auszüge aus der Strafanzeige vorgelegt. Daraus geht hervor, dass sie nicht „im Namen der Stadtverordnetenversammlung“, sondern lediglich im Namen der genannten Fraktionen handelten. Die Strafanzeige ist mit den Namen von drei Fraktionsvertretern unterschrieben, auch die Kontaktmöglichkeiten sind deutlich mit den Anschriften der drei Vertreter gekennzeichnet. Das Schreiben der Staatsanwaltschaft hätte daher wohl auch nicht an das parlamentarische Büro und die Stadtverordnetenvorsteherin verschickt werden dürfen, sondern an die in der Anzeige genannten Anschriften der Fraktionen.
Gegenstand der staatsanwaltschaftlichen Vorermittlungen waren auch die beiden Stellungnahmen des Hessischen Städte- und Gemeindebunds (HSGB). Die HSGB-Juristen waren darin zu der Ansicht gelangt, dass die Grünflächen unter anderem deutlich unter Wert verkauft worden waren und dass der Magistrat seine Kompetenzen beim Verkauf der Flächen überschritten hat (GNZ vom 24. Februar). Für die Staatsanwaltschaft ergaben die eingereichten Dokumente und Schriftsätze sowie die Stellungnahmen allerdings keinen Anfangsverdacht für ein Ermittlungsverfahren.
Staatsanwaltschaft verweist auf die Ermittlungen der Kommunalaufsicht
Interessant an dem Schreiben der Staatsanwaltschaft ist ein weiterer Aspekt, nämlich die Verknüpfung von verwaltungsrechtlichen und disziplinarrechtlichen Verfahren durch die Kommunalaufsicht mit möglichen strafrechtlichen Ermittlungen. So heißt es vonseiten der Staatsanwaltschaft: „Sollten sich nach Abschluss der Prüfung durch die Kommunalaufsicht neue Verdachtsmomente ergeben, wird geprüft, ob Ermittlungen aufzunehmen sein werden.“
Verwaltungs- und disziplinarrechtliche Verfahren laufen derzeit in zwei Aufsichtsbehörden. So führt die Kommunalaufsicht des Main-Kinzig-Kreises aktuell ein solches Verfahren gegen Bürgermeister Daniel Glöckner. Auch dort geht es im Kern um Fragen nach dem Verkaufspreis der Grundstücke, nach möglichen Kompetenzüberschreitungen und eventuell zu ahnenden Dienstvergehen. Das Verfahren führt Erste Kreisbeigeordnete Susanne Simmler, obwohl die Kommunalaufsicht von Amts wegen eigentlich beim Landrat liegt. Wegen einer möglichen Befangenheit des Landrats wollte der Kreis das Verfahren gegen Glöckner eigentlich an das Regierungspräsidium Darmstadt abtreten, das diesen Wunsch aber ablehnte. Kreispressesprecher John Karsten Mewes bestätigte gestern auf GNZ-Anfrage ein Verfahren gegen den amtierenden Bürgermeister, konnte zu den Inhalten mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen allerdings keine Angaben machen.
Das Regierungspräsidium führt indes ein zweites Verfahren gegen den heutigen Landrat. Thorsten Stolz hatte das RP selbst damit beauftragt, ein mögliches Fehlverhalten und mögliche daraus resultierende verwaltungs- und disziplinarrechtliche Konsequenzen zu prüfen. Ein RP-Sprecher wollte zum laufenden Verfahren gestern auf GNZ-Anfrage ebenfalls keine Stellung nehmen.
Beide Verfahren werden voraussichtlich noch mehrere Monate andauern, vor der Kommunalwahl ist definitiv nicht mit einem Ergebnis zu rechnen. Wenn die Prüfungen abgeschlossen sind und die Aufsichtsbehörden Rechtsverstöße feststellen sollten, wie es die HSGB-Stellungnahmen möglich erscheinen lassen, läge der Ball dann wieder im Feld der Staatsanwaltschaft, die erneut über die Aufnahme von weiteren Ermittlungen entscheiden müsste.