Ein altes Argument und ein falscher Einwand

Mittlauer Weg: Magistrat versucht, „öffentliche Vorwürfe“ zu entkräften / Neues Gutachten soll juristische Einschätzung zu Grundstückspreisen widerlegen

Von Matthias Boll GNZ 05.03.2021

Gelnhausen. Der Magistrat hat beim Verkauf öffentlicher Grünflächen im Mittlauer Weg weder seine Kompetenzen überschritten noch Grundstücke weit unter Wert verkauft. Zu dieser Einschätzung kommt das Gremium unter Vorsitz von Bürgermeister Glöckner in einer schriftlichen Stellungnahme. Darin weist der Magistrat die „öffentlichen Vorwürfe (GNZ vom 24. Februar 2021, Seiten 17 und 19)“ zurück und zweifelt zentrale Erkenntnisse einer rechtlichen Expertise des Hessischen Städte- und Gemeindebundes (HSGB) an.

Kernfrage einer Sondersitzung des Magistrats, zu der Bürgermeister Daniel Glöckner (FDP) eingeladen hatte, sei „der Umgang des Kollegialorgans mit den öffentlichen Vorwürfen“ in der GNZ gewesen, wie es in der Stellungnahme heißt. Das Ergebnis: Der Magistrat weist eine Kompetenzüberschreitung von sich und gibt nun ein zusätzliches Verkehrswertgutachten in Auftrag. Mit keiner Silbe erwähnt wird an dieser Stelle, dass die Berichterstattung auf einer Stellungnahme von vier HSGB-Juristen beruhte. Dieselbe Stellungnahme übrigens, deren zentrale Erkenntnisse der Bürgermeister der Öffentlichkeit mehr als fünf Monate vorenthalten hatte.

Zum einen versucht der Magistrat in seiner Mitteilung, den Vorwurf zu entkräften, dass die öffentlichen Grünflächen laut HSGB weit unter Wert verkauft wurden. So hatte der Interessenverband der Kommunen keinen Zweifel daran gelassen, dass der Kaufpreis von 38,50 Euro pro Quadratmeter deutlich unter dem tatsächlichen Wert der Grundstücke liegt und daher dem Grundsatz einer sparsamen Haushaltsführung widerspricht. So wären die Grünflächen „bereits mit dem Verkauf des jeweiligen Baugrundstücks in Form nicht überbaubarer Bauflächen und damit zum regulären Baulandpreis von 200 Euro beziehungsweise 220 Euro pro Quadratmeter zu verkaufen gewesen“, so die Juristen aus Mühlheim.

Dem halten Glöckner und seine Stadträte entgegen, dass 38,50 Euro nun mal der übliche Preis für Grünflächen im Stadtgebiet sei. Im aktuellen Magistrat seien einige Stadträtinnen und Stadträte vertreten, die bereits in der Legislaturperiode 2011 bis 2016 diesem Gremium angehörten und damals über die Preise für die Grünflächen mitentschieden. Im Rahmen der damaligen Diskussion über den Quadratmeterpreis sei innerhalb des Gremiums darauf hingewiesen worden, dass bei Verkäufen von Grünflächen in der Stadt ein Preis von 38,50 Euro verlangt werde und dass dieser Preis deshalb konsequenterweise auch für die Flächen im Neubaugebiet Mittlauer Weg in Meerholz gelten müsse. Dieser Verkehrswert sei auch in einem Gutachten, das die SEG in Auftrag gegeben habe, in 2019 bestätigt worden.

Der Magistrat zweifelt die Expertise der HSGB-Juristen an und hat beschlossen, ein neues Verkehrswertgutachten in Auftrag zu geben. Foto: GNZ ARCHIV

Derselben Argumentation hatte sich vor einigen Monaten bereits die SPD bedient, als sie darauf verwies, dass „vergleichbare Beschlüsse mehrfach durch die städtischen Gremien herbeigeführt“ worden seien. Auf Nachfrage hatte die SPD damals den Verkauf von 276 Quadratmeter Grünfläche in Meerholz im Jahr 2011 und den Verkauf zweier Grünflächen von insgesamt 320 Quadratmetern in Höchst im Jahr 2012 als Ergänzung einer Wohnbaufläche zum Preis von 38,50 Euro angeführt. Ein Vergleich, der offenkundig hinkt: Im Mittlauer Weg sollten laut Beschluss des Magistrats nicht nur vereinzelte Flächen, sondern insgesamt 12 940 Quadratmeter öffentliche Grünflächen verkauft beziehungsweise verpachtet werden.

Rechtfertigungsversuch geht an der Problematik vorbei

Dass der damalige Magistrat unter Vorsitz des heutigen Landrats Thorsten Stolz (SPD) bei diesem Beschluss laut HSGB seine Kompetenzen überschritten hat, weist das Gremium ebenfalls von sich. So stellt der aktuelle Magistrat in seiner Stellungnahme klar, dass er die Grünflächen nicht als Gesamtfläche, sondern sukzessive als Parzellen mit entsprechenden Auflagen verkauft habe. Die in der Hauptsatzung festgelegte Summe von 25 000 Euro, ab der die Stadtverordnetenversammlung über die Verkäufe hätte entscheiden müssen, sei mit keinem Einzelverkauf erreicht worden. Somit sei die Zuständigkeit des Magistrats für den Abschluss der einzelnen Grundstückskaufverträge gegeben gewesen. Der Magistrat räumt ein, dass in drei Einzelfällen die satzungsgemäße Obergrenze von 15 000 Euro, die für die alleinige Veräußerung durch das Gremium gilt, leicht überschritten worden sei. Hier hätte der Bauausschuss hinzugezogen werden müssen. Das Gremium bedauert, „dass es in diesen Einzelfällen zu Unklarheiten gekommen“ sei, erklärt aber, dass dadurch weder der Stadt noch den Käufern Nachteile entstanden seien.

Dieser Rechtfertigungsversuch führt aber an der eigentlichen Problematik vorbei: Denn der HSGB stellt überhaupt nicht in Abrede, dass der Magistrat für den Einzelverkauf der Grundstücke zuständig war. Den Juristen geht es vielmehr um einen anderen Punkt, der in der Stellungnahme von Glöckner und Co. vollkommen außer Acht gelassen wird: „Die grundsätzliche Entscheidung über den Verkauf der Grünflächen zu einem bestimmten festzulegenden Quadratmeterpreis hätte von der Stadtverordnetenversammlung getroffen werden müssen.“ Der Magistrat war demnach nicht berechtigt, über den Verkauf von 12 940 Quadratmetern öffentlicher Grünfläche zum Preis von 38,50 Euro zu entscheiden. Mal ganz abgesehen davon, dass die Grünflächen ohne Änderung des Bebauungsplanes ohnehin nicht hätten verkauft und eingezäunt werden dürfen.

Auf weitere Punkte der HSGB-Stellungnahme wie die unzulässige Mitwirkung eines ehemaligen leitenden Verwaltungsbeamten an Beschlüssen, die einen Angehörigen betreffen, oder die in den Augen des HSGB unzulässige Änderung des B-Plans geht der Magistrat in seiner Mitteilung überhaupt nicht ein. Er kündigt aber an, dass ein externer Anwalt die Aussagen des Hessischen Städte- und Gemeindebundes überprüfen und den Magistrat beraten werde. Zum Hintergrund: Der HSGB ist ein Verband, der die Interessen der hessischen Städte und Gemeinden vertritt und dem auch die Stadt Gelnhausen als Mitglied angehört.

Kein Verständnis für die öffentlichen Vorwürfe haben Glöckner und seine Stadträte auch vor dem Hintergrund, dass im Mittlauer Weg „immerhin in kurzer Zeit Bauplätze für 160 Familien geschaffen“ worden seien. Ein Wohngebiet sei entwickelt worden, das mit einem Spielplatz und einem zentralen Grünzug, den die Grundstückskäufer als Kaufbedingung damals verlangt hätten, aufgewertet worden sei. „Dieser Aspekt werde in der Diskussion immer außen vorgelassen“, beschwert sich der Magistrat.

Im Verlauf der Diskussion um den Grundstückspreis für die Grünflächen habe der Magistrat in seiner Sondersitzung zudem beschlossen, ein weiteres Verkehrswertgutachten vom Gutachterausschuss des Main-Kinzig-Kreises erstellen zu lassen, das als Stichtag des Gutachtens den ersten Grundstücksverkauf im Mittlauer Weg annimmt. Offenbar taugt das von der SEG 2019 in Auftrag gegebene erste Gutachten nicht, die Einschätzung des HSGB zu widerlegen. „Erst dann werde sich zeigen, ob und wie weit unter Wert die Grünflächen veräußert wurden“, betonen Glöckner und seine Stadträte.

Der Magistrat teilt abschließend mit, dass er „die aufgeheizte Diskussion, die ohnehin dem Ansehen der Barbarossastadt nur schade“, bedauere und daher alle dazu aufrufe, in ein ruhigeres politisches Fahrwasser zurückzukehren und persönliche Anfeindungen und Unterstellungen zu unterlassen. „Es geht um unsere Stadt Gelnhausen“, so der Magistrat. Dass dessen Vorsitzender Glöckner selbst in den letzten 21 Monaten durchaus die eine oder andere Option hatte, um Einfluss auf die aufgeheizte Diskussion und das Ansehen der Barbarossastadt zu nehmen, bleibt an dieser Stelle unerwähnt. Ein Anfang wäre es zum Beispiel gewesen, wenn Glöckner so etwas wie einen Aufklärungswillen an den Tag gelegt hätte. Dann hätte er sich vielleicht auch die Einberufung einer Sondersitzung des Magistrats „zum Umgang mit den öffentlichen Vorwürfen“ schenken können.