In der verfahrenen Situation im Mittlauer Weg schlagen die Grünen vor, dass kleine Grünstreifen privat werden und der große Rest wieder zugänglich wird. Darüber berichtet die GNZ in ihrer Ausgabe vom 4. Dezember 2019. Wir dokumentieren, mit freundlicher Genehmigung der Zeitung, den bericht im Wortlaut:
Gelnhausen (mb). Lange Zeit haben sie geschwiegen. Aber nach der jüngsten Pressemitteilung der SPD (GNZ vom Freitag), in der die Sozialdemokraten eine zeitnahe Änderung des Bebauungsplans fordern und scharfe Kritik an den „Bürgern für Gelnhausen“ üben, melden sich nun auch die Grünen zu Wort. In der verfahrenen Situation um die Vergabe öffentlicher Grünflächen im Neubaugebiet „Mittlauer Weg“ zeigen sie eine mögliche Kompromisslösung auf.
Der Grünen-Stadtverordnete Uwe Leinhaas stört sich im Gespräch mit der GNZ insbesondere an der Behauptung von SPD-Fraktionschef Ewald Desch, dass alle Mitglieder des Magistrats im Januar 2016 dem Beschluss zum Verkauf und zur Verpachtung öffentlicher Grünflächen an Privatbesitzer zugestimmt hätten. „Woher will er das wissen? Der Magistrat ist ein Kollektivorgan, dessen Abstimmverhalten nicht dokumentiert wird. Herr Desch saß damals nicht in diesem Gremium, er kann das maximal vom Hörensagen wissen.“ Deschs Aussage sei nicht belegbar, deshalb sei es falsch, so etwas zu behaupten.
Dass der Magistrat zu einer solchen Entscheidung nicht befugt war, daran haben die Grünen – ebenso wie BG und CDU – keine Zweifel. Denn das Gremium dürfe lediglich über Grundstücksverkäufe bis zu 25 000 Euro eigenständig entscheiden. Bei der Vergabe der öffentlichen Grünflächen sei es aber in der Summe um einen weitaus höheren Betrag gegangen: eine Fläche von knapp 13 000 Quadratmetern zum Preis von damals noch 60 Euro pro Quadratmeter. „Die Entscheidung des Magistrats ist obsolet und somit auch rechtlich nicht bindend“, erklärt Leinhaas.
Verantwortlich für diese Misere und die daraus resultierenden Probleme einschließlich der vergifteten Atmosphäre im Neubaugebiet ist in den Augen der Grünen aber nicht nur der langjährige Bauamtsleiter und SEG-Geschäftsführer Günther Kauder. Die Vorwürfe richteten sich auch an die Adresse des damaligen Bürgermeisters Thorsten Stolz. „Was da im Mittlauer Weg gelaufen ist, das kann Kauder nicht alleine gemacht haben. Er wurde dabei von Stolz gedeckt – und zwar systematisch und mit Vorsatz“, sagt Leinhaas. Als Beleg seiner These führt er zwei Stadtverordnetenversammlungen aus dem Jahr 2016 an. Zunächst habe Stolz dem Stadtparlament berichtet, dass der Magistrat den von der Stadtentwicklungsgesellschaft (SEG) geplanten Verkauf von öffentlichen Grünflächen zur Kenntnis nimmt. Dabei habe er merkwürdigerweise keine Angaben über Flächen oder Summen gemacht.
Im Juni 2016 habe der damalige Bürgermeister die Stadtverordneten über den Verkauf von Grünflächen informiert – ebenfalls ohne dabei konkrete Zahlen zu nennen. Vor dieser Parlaments- sitzung habe Stolz übrigens auf schriftliche Nachfrage dem BG-Chef Bodo Delhey versichert, dass von der SEG lediglich „Teilflächen“ verkauft und verpachtet würden. „Knapp 13 000 Quadratmeter sind eine Teilfläche – halt eine sehr große“, merkt Leinhaas ironisch an. „Man muss es so deutlich sagen: Stolz und Kauder haben die Leute verarscht.“
Mit den Folgen der rechtswidrigen Verkäufe der Vergangenheit hat nun die Kommunalpolitik zu kämpfen. In erster Linie geht es darum, einen Ausweg aus der verfahrenen Situation und eine Lösung zu finden, mit der beide Seiten der Anwohnerschaft leben können: diejenigen, die sich wie im Bebauungsplan versprochen mehr öffentliche Grünflächen wünschen, und diejenigen, die ihre kostengünstig hinzugewonnene Grünflächen nicht zurückgeben wollen. Ein derartiger Kompromiss war in der bisherigen Debatte nicht in Sicht, die Grünen versuchen es nun mit einem möglichen Ansatz.
Demnach könnte die Stadt den Besitzern der Außengrundstücke jeweils einen fünf Meter breiten Randstreifen Grünfläche gewähren. Das wären bei einer üblichen Grundstücksbreite von 20 Metern rund 100 Quadratmeter zusätzliche Fläche, rechnet Leinhaas vor. Aktuell haben zwar manche Eigentümer rund 400 bis 500 Quadratmeter Grün hinzugewonnen, „aber da der Magistratsbeschluss und damit auch die Kaufverträge hinfällig sind, steht ihnen momentan eigentlich gar nichts zu“.
Die der Öffentlichkeit zurückgegebene Fläche könnten die Hausbesitzer natürlich auch weiterhin nutzen – allerdings ohne Einzäunung. Die Kosten für den Rückbau müsste freilich die Stadt tragen. Mit dem Erlass einer Grünlandsatzung könnte man die Anwohner dazu verpflichten, sich um die Pflege der Flächen zu kümmern, damit keine weiteren Kosten auf die Stadt zukommen. Und zu guter Letzt würde sich eine solche Lösung auch positiv auf die Ausgleichsflächen auswirken, die durch die Vergabe an Privatbesitzer sonst an anderer Stelle ausgewiesen werden müssten.
„Noch einmal: Wir sind nicht verantwortlich für die missliche Lage, das sind die damals nicht legitimierten Verkäufer. Wir müssen aber nun versuchen, einen Weg aus dieser vertrackten Situation zu finden“, sagt Leinhaas. „Es ist keine Win-win-Situation, aber vielleicht eine Möglichkeit, dass sich am Ende alle Bewohner des Neubaugebiets wieder in die Augen schauen können.“