Klare Ansage vom RP: Kreis muss gegen Zäune vorgehen

Für die unzulässigen Einfriedungen im „Mittlauer Weg“ hat die Bauaufsicht sich über Jahre nicht zuständig gefühlt. Jetzt hat das RP ein Machtwort gesprochen: Falls die Mediation scheitert, muss der Kreis die Zäune umgehend abreißen lassen.

Von Matthias Boll GNZ 24.07.2021

Gelnhausen-Meerholz. Das Regierungspräsidium Darmstadt hat die Bauaufsichtsbehörde des Main-Kinzig-Kreises dazu aufgefordert, gegen die auf öffentlichen Grünflächen errichteten Zäune im Meerholzer Neubaugebiet „Mittlauer Weg“ vorzugehen. Das Eingreifen der Oberen Aufsichtsbehörde ist insofern bemerkenswert, dass der Kreis als Untere Bauaufsicht sich bislang stets nicht zuständig gefühlt beziehungsweise keinen Handlungsbedarf gesehen hat. Mit dieser klaren Ansage des RP dürfte sich das nun ändern.

Im Rahmen einer baurechtlichen Beurteilung habe das Regierungspräsidium Darmstadt als Obere Bauaufsicht festgestellt, „dass die Nutzung der öffentlichen Grünflächen als private Gartenfläche als bauplanungsrechtlich unzulässig einzustufen ist, da sie gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans verstößt“, teilte Guido Martin, Leiter der Stabsstelle Presse, Digitalisierung und Kommunikation beim RP, auf GNZ-Anfrage mit. Die Untere Bauaufsicht – also die Bauaufsichtsbehörde des Main-Kinzig-Kreises – sei daher aufgefordert worden, „gegen die Einfriedungen und errichteten baulichen Anlagen vorzugehen“. Dabei habe die Obere Bauaufsicht zunächst zur Wahrung der Gleichbehandlung der betroffenen Grundstückseigentümer von der Unteren Bauaufsicht die Vorlage eines Konzepts zur Wiederherstellung baurechtmäßiger Zustände gefordert. „Dies eröffnet der Kommune den zeitlichen Spielraum, das laufende Mediationsverfahren zeitnah zu beenden“, so Martin, „und versetzt die Untere Bauaufsichtsbehörde in die Lage und die Pflicht, im Falle eines Scheiterns der Mediation unmittelbar tätig zu werden“.

Dienstaufsichtsverfahren gegen Landrat Stolz dauert an

Die angesprochene „baurechtliche Beurteilung“ der Situation im Meerholzer Neubaugebiet durch das RP Darmstadt kommt freilich nicht von ungefähr, sondern dürfte vermutlich im Zusammenhang mit einem Dienstaufsichtsverfahren gegen Landrat Thorsten Stolz (SPD) stehen. Dieser hatte im November 2020 das Regierungspräsidium eingeschaltet, nachdem die GNZ eine Interessenkollision im Fall „Mittlauer Weg“ aufgezeigt hatte, die in Stolz‘ Doppelrolle als Landrat und kommunale Aufsichtsbehörde einerseits sowie als ehemaliger Bürgermeister der Barbarossastadt andererseits begründet ist. Das RP hatte daraufhin auf Antrag von Stolz ein Prüfungsverfahren eingeleitet. Zu dessen aktuellem Stand wollte sich Martin auf Anfrage nicht weiter äußern: „Details zu dem laufenden Dienstaufsichtsverfahren können aus dienstrechtlichen Gründen nicht mitgeteilt werden.“                                                                         

Die Bauaufsicht habe Anfang Juli ein Schreiben des RP Darmstadt in der Sache erhalten, teilte der Kreis auf GNZ-Anfrage mit. Darin werde unter anderem bemängelt, dass „bisher angekündigte Änderungen des Bebauungsplans nie realisiert wurden“. Das RP folgere daraus, dass die Untere Bauaufsicht des Main-Kinzig-Kreises „gegen die Einfriedungen und errichteten baulichen Anlagen auf den als öffentliche Grünflächen gewidmeten Bereichen vorgehen muss“. Ein solches Einschreiten wiege jedoch sehr schwer und sei abzuwägen mit Blick auf den Verlauf der Mediation und mit Rücksicht auf eine ernst gemeinte Beteiligungskultur als wichtiges Instrument einer einvernehmlichen Gebietsentwicklung. Diese Einschätzung begründe sich auch auf dem entsprechenden Beschluss der Stadtverordnetenversammlung Gelnhausen.                                                                                             

Der Main-Kinzig-Kreis werde gemäß der Aufforderung des RP Darmstadt fristgemäß bis Anfang August dazu „ein Konzept erstellen, anhand dessen deutlich wird, nach welchem System das Einschreiten gegen die festgestellten baurechtswidrigen Zustände im Plangebiet erfolgen soll“. Dabei werde auch die angemahnte Beseitigung der Zäune als wesentliches Element berücksichtigt werden, so der Main-Kinzig-Kreis.

Forderung nach Einschreiten der Bauaufsicht erstmals im Oktober 2018 erhoben

Die Forderung nach einem Einschreiten der zuständigen Behörden gegen die unzulässige Errichtung von Zäunen auf laut B-Plan öffentlichen Grünflächen ist nicht neu, sondern schon so alt wie die Debatte um den „Mittlauer Weg“ selbst. Genau genommen noch älter, denn schon bevor die Diskussionen um den Verkauf und die Verpachtung öffentlicher Grünflächen im Meerholzer Neubaugebiet ins Licht der Öffentlichkeit rückten – das war erstmals im Mai 2019 –, hatten sich die „Bürger für Gelnhausen“ im Oktober 2018 erstmals in einer Beschwerde an den Kreis gewandt. Darin wiesen die BG auf Verstöße gegen den B-Plan hin, die von der Stadt Gelnhausen geduldet wurden und immer noch werden, und forderten die Bauaufsicht unter anderem dazu auf, gegen die Errichtung von Zäunen auf öffentlichen Grünflächen vorzugehen – aber vergebens. Weitere Schreiben der BG folgten, doch der Main-Kinzig-Kreis zog sich stets auf den Standpunkt zurück, keinen Handlungsbedarf zu sehen und/oder nicht zuständig zu sein.                                                                                                                        

So hieß es in einem Schreiben der Bauaufsicht vom 13. Dezember 2018 dazu beispielsweise: „Die Stadt Gelnhausen ist Träger der kommunalen Planungshoheit und hat (…) Bereitschaft signalisiert, den Bebauungsplan zu ändern und auch das naturschutzrechtliche Kompensationsdefizit auszugleichen. Hinzu kommt, dass es sich bei den beanstandeten Festsetzungen um Straßenbegleitgrün sowie öffentliche Grünflächen handelt, die nicht in der Zuständigkeit der Unteren Bauaufsichtsbehörde liegen.“ In einem weiteren Schreiben vom 20. Dezember 2019 hieß es dann, dass auf den öffentlichen Grünflächen „keine baugenehmigungspflichtigen Maßnahmen“ ausgeführt worden seien, die ein Einschreiten der Bauaufsicht notwendig machten. Unstrittig sei allerdings auch, dass die Einfriedungen „nicht ohne Weiteres“ zulässig seien. Allerdings liege die Zuständigkeit „eindeutig“ bei der Stadt. Da diesbezüglich Überlegungen bestünden, durch Änderung des B-Plans die „bestehenden Unklarheiten“ zu beseitigen, „wäre aber ein Einschreiten gegen die einzelnen baulichen Anlagen derzeit unverhältnismäßig“, so die Bauaufsicht.                                                                   

Zumindest der letzte Punkt ist an dieser Stelle noch nachvollziehbar. Nicht nachvollziehbar ist hingegen, warum die Behörde oder wahlweise auch die Stadt Gelnhausen nicht schon viel früher die weitere unzulässige Errichtung von Einfriedungen im „Mittlauer Weg“ unterbunden hat. So sprossen im Meerholzer Neubaugebiet bis zuletzt weiter munter die Zäune aus dem Boden. Zäune, gegen die die Bauaufsicht nun im ungünstigsten Fall eines Scheiterns des derzeit laufenden Mediationsverfahrens auf Anordnung des RP dann vorgehen soll – unabhängig davon, ob sich der Kreis nun zuständig fühlt oder nicht.