Das Neubaugebiet „Mittlauer Weg“ sorgt zurzeit für politische Diskussion. Die Bürger für Gelnhausen versuchen seit nahezu zwei Jahren Klarheit in die Vorgänge um Verkauf und Verpachtung von öffentlichen Grünflächen zu bringen. Dabei ist gerade heute der verantwortliche Umgang mit solchen Arealen von besonderer Bedeutung.
Das Thema „Klimaschutz“ beherrscht zurzeit die Nachrichten. Wahlen werden von denen gewonnen, die sich glaubhaft für eine Lösung der bestehenden und prognostizierten Probleme einsetzen. Untrennbar verbunden damit ist das „Insektensterben“. In China werden Menschen eingesetzt, um Pflanzen künstlich zu bestäuben, weil es dort keine Bienen, Schmetterlinge und sonstigen bestäubenden Insekten mehr gibt.
Wie sieht es in unserer unmittelbaren Umgebung aus? Werden wir in Gelnhausen dem Anspruch auf eine naturnahe, ökologische und auf die Bedürfnisse von Mensch und Natur abgestimmte Lebensweise gerecht?
In einem Antrag der SPD für die Stadtverordnetenversammlung am 22.05.2019 steht geschrieben:
„Das dramatische Insektensterben erfordert unverzügliche Maßnahmen. Brachflächen und Rasenflächen im Stadtgebiet sind zeitnah in Blühwiesen mit heimischen Pflanzen umzuwandeln. Der städtische Betriebshof ist auf entsprechend andere Pflegezyklen umzuschulen.“
Die bisher identifizierten Flächen in Gelnhausen (ca. 8-10,000 Quadratmeter) sind eine bedeutende Größe, um mit Gelnhausen als Vorbildstadt für den gesamten Main-Kinzig-Kreis voranzugehen.“ Auch eine Bewusstseinsänderung privater Gärtner soll ein Ziel der Maßnahme sein.“
In engem Zusammenhang mit diesem Antrag steht das Programm „Main-Kinzig-blüht“, das seit Mitte 2015 intensiv von Politikern sämtlicher Couleur beworben wird. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht ein Volksvertreter sich in den lokalen Medien für ein Öko-Programm stark macht oder ein neues Bio-Vorzeigeprojekt einweiht.
Blühwiesen? Naturnah, ökologisch, auf Bedürfnisse von Mensch und Natur abgestimmt?
Tausende von Quadratmetern von Flächen für das Anlegen von Blühwiesen?
Da war doch was! Gelnhausen wollte bereits vor wenigen Jahren ein
Vorzeigeneubaugebiet entwickeln und warb intensiv dafür. Das Gebiet ist bekannt
unter dem Namen „Mittlauer Weg“. Zitate aus dem Bebauungsplan:
„…
Mit den parkartig gestalteten Grünflächen werden Freiräume mit hoher
Nutzungsqualität für die Bewohner entstehen, die auch ökologisch wirksam werden
…
… Von diesen Straßenräumen aus werden durch die Anlage von Geh- und Radwegen
Anbindungen an die umliegenden Grün- und Freiräume geschaffen. …
… Die Festsetzungen der öffentlichen Grünflächen im Geltungsbereich des
Bebauungsplans dienen der räumlichen Gebietsgliederung ebenso wie der
Aufwertung des Wohnumfeldes im Plangebiet. …“
Ein Areal von ca. 30.000 Quadratmetern war für Freizeit und Erholung vorgesehen. Vor allem auch für die kleineren Grundstücke im Zentrum, die wenig Platz für gärtnerische Gestaltung ließen. Lange vor Baubeginn am 23.9.2015 hatten die Bürger für Gelnhausen einen Antrag in die Stadtverordnetenversammlung eingebracht, der die Idee „Main-Kinzig-blüht“ aufgriff und genau das vorsah, was aktuell überall gepriesen wird: Verbesserung der Biodiversität durch Verwendung von alten und heimischen Pflanzen und Saatgut, insbesondere Blühwiesen, Pflanzen, Sträucher und Bäume für blütensuchende Insekten. Anlage von Flächen mit geringem Pflegeaufwand, die nur 1-2mal pro Jahr gemäht werden müssen.
Die von der BG beantragte naturnahe Begrünung der öffentlichen Grünflächen wurde in der 1. Änderung des Bebauungsplans „Mittlauer Weg“ aufgenommen, die von der Stadtverordnetenversammlung im Dezember 2015 als Satzung beschlossen wurde und ist damit geltendes kommunales Gesetz.
Was aus diesem hochfliegenden Plänen geworden ist, ist inzwischen bekannt.
Von den ursprünglich vorgesehenen 30.000 Quadratmetern für Freizeit und Erholung existieren im Moment noch etwas weniger als die Hälfte. Große Teile der Grünflächen wurden am Stadtparlament vorbei verkauft, der geltende Bebauungsplan missachtet. Dort, wo öffentliches Grün für jedermann zugänglich sein sollte, wurden teilweise mannshohe Zäune errichtet, die die Grundstücke nahezu hermetisch abschließen. Wo Blühwiesen auf mageren Böden helfen sollten Insekten anzusiedeln, prägen Zierrasen- oder Pflastersteine das Bild.
Verantwortlich für die Verstöße gegen den rechtsgültigen B-Plan sind die Geschäftsführer der SEG sowie der damalige Magistrat. Leidtragende sind die Käufer der sogenannten Mittelgrundstücke, die bei deren Erwerb von ganz anderen Voraussetzungen ausgingen. Aber auch die Eigentümer der Parzellen in den Randbereichen sollten genau darauf achten, wie die Gestaltung des neu hinzu gekauften Grundes nach dem nach wie vor geltenden B-Plan erfolgen sollte. Dieser sieht hohe Umzäunungen, Mutterböden und englischen Rasen nicht vor.
Grün ist in. Vor allem, wenn sich damit zukünftig Wahlen gewinnen lassen. Es mutet seltsam an, wenn Parteien und Institutionen plötzlich als Lokomotive vor einem Zug auftauchen, dessen Gleise andere verlegt haben und dafür in der Vergangenheit oft Häme einstecken mussten. Es liegt an jedem einzelnen Bürger, einen verantwortlichen umweltbewussten Umgang mit öffentlichem Eigentum einzufordern. Offenheit und Transparenz der Verwaltung gehören dazu.