Die von der SPD/FDP-Mehrheit veranlasste Verkürzung der Stadtverordnetenversammlung ist vor allem eines: eine unverschämte Respektlosigkeit gegenüber Bürgern und ein Schlag ins Gesicht der Anwohner des Mittlauer Wegs.
Ein KOMMENTAR von Matthias Boll (GNZ 04.09.2020)
Es war ein billiger Trick der SPD, ein vorzeitiges Ende der Sitzung zu beantragen, um über ein ihr unliebsames Thema an diesem Abend lieber nicht beraten zu müssen. Ein Täuschungsmanöver, das die rund 25 Anwohner sofort durchschauten und entsprechend wütend reagierten. SPD-Chef Ewald Desch hätte genauso gut sagen können: Wir wollen an diesem Abend nicht über den Mittlauer Weg sprechen. Punkt. Basta!
Der Unmut der Anwohner war entsprechend und absolut nachvollziehbar, hatten sie doch am Ende dreieinhalb Stunden umsonst ausgeharrt. Leider nicht das erste Mal, dass sie sich in der unendlichen Geschichte um den Mittlauer Weg gelinde gesagt verschaukelt vorkommen müssen.
Seit mehr als einem Jahr setzen sie sich für etwas ein, das nach allgemeinem Rechtsverständnis eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte: dass Fehler aus der Vergangenheit aufgearbeitet, Verantwortlichkeiten geklärt und daraus Konsequenzen für die Gegenwart gezogen werden. Bislang ohne nennbaren Ertrag. So sind die intransparenten und vermutlich auch rechtswidrigen Vorgänge um die Vergabe öffentlicher Grünflächen im Neubaugebiet, die sich damals unter der Ägide von Bauamtsleiter und SEG-Geschäftsführer Günther Kauder (SPD) und dem damaligen Bürgermeister Thorsten Stolz (SPD) abgespielt haben, noch immer ungeklärt. Ein ernsthafter Wille der heutigen politischen Entscheidungsträger nach Aufklärung ist nach wie vor nicht zu erkennen. Von einer Lösung des Konflikts einmal ganz zu schweigen. Schlimmer noch: Die Anwohner haben stattdessen immer mehr den Eindruck, dass Bürgermeister Daniel Glöckner (FDP) und seine SPD/FDP-Koalition überhaupt kein Interesse an einer Aufarbeitung haben und dieser eher hinderlich denn förderlich sind. Ein Eindruck, der sich nach Mittwochabend noch verstärkt haben dürfte.
Unterstellt man SPD und FDP einmal, dass sie die Anwohner nicht aus purer Arroganz oder reiner Boshaftigkeit so brüskieren wollten, stellt sich die Frage nach dem Warum. Desch ist ein Politprofi und sollte sich des Signals eines solchen respektlosen Verhaltens an die Anwohner und dessen verheerender Außenwirkung durchaus bewusst gewesen sein. Dennoch hat er das in Kauf genommen. Dafür muss er sehr triftige Gründe gehabt haben, über die sich an dieser Stelle nur spekulieren lässt. Möglicherweise spielt der Faktor Zeit eine Rolle. Möglicherweise sind die Gründe von SPD und FDP im Zusammenhang mit der Stellungnahme des HSGB zu suchen, die der Bürgermeister bislang unter Verschluss hält. Fakt ist: Das letzte Dokument, dessen Herausgabe Glöckner unter fadenscheinigen Gründen so standhaft verweigerte, war der von ihm so deklarierte „TÜV-Bericht“ zur Stadthalle. Dieser stellte sich am Ende bekanntlich als „Begehungsprotokoll zur Prüfung von Brandschutzklappen“ heraus und zeichnete entgegen den Versicherungen des Rathauschefs ein verheerendes Bild des Brandschutzes.
Glöckners Auftritt am Ende der Sitzung entbehrte übrigens nicht einer gewissen Ironie. Gewissermaßen im vorauseilenden Gehorsam bot der Bürgermeister an, die Anträge zum Mittlauer Weg noch vor der nächsten Stadtverordnetenversammlung im Magistrat behandeln zu lassen. Eben jener Bürgermeister, der sich in seiner mittlerweile fast dreijährigen Amtszeit nicht unbedingt durch die Umsetzung von Parlamentsbeschlüssen und auch nicht als großer Aufklärer und Problemlöser im Mittlauer Weg hervorgetan hat.
SPD und FDP haben mit ihrem arroganten und respektlosen Verhalten jedenfalls ein Musterbeispiel dafür gegeben, warum die vielfach beklagte Politikverdrossenheit immer mehr um sich greift. Auch stellt sich die Frage, wie eine solche Aktion in Einklang zu bringen ist mit den kontinuierlichen Beteuerungen der beiden Fraktionen, stets im Sinne des Gemeinwohls der Stadt und im Interesse deren Bürger zu handeln. Und vielleicht muss an dieser Stelle auch mal die Frage erlaubt sein, inwieweit ehrenamtlich tätige Kommunalpolitiker ihre eigenen Überzeugungen stets dem Fraktionszwang unterwerfen müssen. Es ist nämlich nur schwer vorstellbar, dass es unter den 15 SPD- und drei FDP-Stadtverordneten keinen einzigen gab, der sich des offensichtlichen Unrechts und der misslichen Situation der Anwohner bewusst wurde. Dass sogar ein Vertreter der BG für den SPD-Antrag stimmte, ist ebenso wenig nachvollziehbar, war für den Ausgang der Abstimmung aber irrelevant. Unter dem Strich bleibt nach Mittwochabend festzuhalten: Der Appell der Anwohner an Moral und Gewissen, an Demokratie- und Rechtsverständnis der Stadtverordneten ist in den Reihen von SPD und FDP wirkungslos verhallt. Dafür hat die unendliche Geschichte des Mittlauer Wegs mit einer solch schroffen Brüskierung der Betroffenen einen traurigen Höhepunkt erreicht. Angesichts dieses unwürdigen Schauspiels ist man als politisch neutraler Beobachter immer mehr dazu geneigt, angewidert den Blick von der stolzen Barbarossastadt abzuwenden.