Ein teures Nachspiel

Entscheidung im jahrelangen Rechtsstreit um die Entwicklung des Colemanparks: Stadt muss rund 1,6 Millionen Euro plus Gerichts-und Anwältekosten an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben zahlen

Ein Artikel der GNZ vom 01.11.2019 von Matthias Boll:

Gelnhausen. In der jahrelangen juristischen Auseinandersetzung zwischen der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) und der Stadt Gelnhausen um die Entwicklung des Colemanparks ist eine Entscheidung gefallen: Die Stadtentwicklungsgesellschaft hat die am Oberlandesgericht Frankfurt eingelegte Berufung gegen ein erstinstanzliches Urteil zurückgenommen. Damit wird das zunächst angefochtene Urteil des Landgerichts Hanau vom 17. Februar 2017 rechtskräftig. Demnach ist die Klage der BImA zulässig – und die SEG muss eine Nachzahlung von rund 1,2 Millionen Euro plus Zinsen in Höhe von rund 410 000 Euro an die BImA leisten. Außerdem trägt die Stadt die Gerichtskosten.

Hintergrund des jahrelangen Rechtsstreits zwischen der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben und der Stadt Gelnhausen ist die Wirksamkeit einer Nachzahlungsklausel im Zusammenhang mit dem Verkauf der sogenannten Coleman-Baracken. Die Stadtentwicklungsgesellschaft (SEG) hatte das insgesamt 7,59 Hektar große Grundstück der damaligen Housing Area am 14. Dezember 2009 von der BImA zum Preis von 3,5 Millionen Euro erworben. Ein vorläufiger Kaufpreis, der auf einem vorläufigen Bebauungskonzept der Stadt beruhte. Die Ermittlung dieses Betrages basierte unter anderem auf genauen Festlegungen zum Erhalt und Abriss von Gebäuden. So wurden die Gebäudewerte von fünf exakt definierten Mehrfamilienhäusern ebenso zu Grunde gelegt wie die Abbruchkosten für die restlichen elf Mehrfamilienhäuser, zwei Kindergärten, einem „Commissary“ – und einem Mehrzweckgebäude.    

Im Kaufvertrag vereinbarten beide Parteien verschiedene Regelungen zu Nachzahlungen. Die in der Sache wichtigste Festlegung findet sich in §4 Absatz 2b: „Führt der Käufer den in Abs. 1 dargelegten Abbruch innerhalb einer Frist von vier Jahren nach Kaufvertragsabschluss ganz oder teilweise nicht durch, so hat er der Verkäuferin (…) für jedes nicht abgebrochene Gebäude ersparte Abbruchkosten in Höhe von 20,00 Euro pro Kubikmeter umbauten Raum zu erstatten sowie die für die jeweiligen Gebäude aufgeführten Gebäudewerte nachzuzahlen.“ Und auf eben diese Klausel sollte die BImA später pochen.                                                

Ein Jahr nach dem Erwerb der ehemaligen Housing Area verkaufte die SEG das Areal für 5,2 Millionen Euro an einen privaten Investor weiter, der das Gelände zum Colemanpark entwickelte. Im Dezember 2013 bat die BImA unter Bezugnahme auf die Nachzahlungsklausel um Auskunft über die tatsächlich realisierte bauliche Nutzung. Als die Stadt dieser Bitte nicht entsprach, traf die Bundesanstalt vor Ort ihre eigenen Feststellungen. Dabei ergab sich, dass drei der im Kaufvertrag zum Abriss vorgesehenen Mehrfamilienhäuser erhalten geblieben, während andererseits drei zum Erhalt vorgesehene Häuser abgerissen worden waren. Das hatte weitreichende Auswirkungen auf die Gebäudewerte und die Abbruchkosten. So machte die BImA bei der SEG eine Nachzahlung von rund 1,2 Millionen Euro geltend: 920 000 Euro für den höheren Gebäudewert, 290 000 Euro für die ersparten Abrisskosten. Die SEG und ihre Organe sahen eine Nachzahlung in dieser Höhe als nicht gerechtfertigt an und beschlossen, eine gerichtliche Prüfung abzuwarten – die BImA reichte Klage ein.

Das war vor rund fünf Jahren. Doch bis zum August 2018 blieb dieser Rechtsstreit weitestgehend unbemerkt. Erst durch Recherchen der GNZ gelangte das Geheimnis um die 1,2-Millionen-Euro-Klage schließlich ans Licht der Öffentlichkeit. Anlass war die bevorstehende Urteilsverkündung am Oberlandesgericht Frankfurt, das seine Entscheidung in zweiter Instanz bekanntgeben wollte. Doch dazu kam es nicht. Das OLG ordnete stattdessen die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung an. Die Fortsetzung der Beweisaufnahme zog sich rund ein Jahr hin, bis eine Nachfrage in Frankfurt schließlich die überraschende Auskunft brachte: Die Berufung wurde zurückgenommen.                                                              

Argumente der SEG ziehen vor Gericht nicht

In erster Instanz hatte zuvor das Landgericht Hanau am 17. Februar 2017 entschieden, dass die SEG beziehungsweise die Stadt rund 1,2 Millionen Euro „nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. November 2014“ an die BImA zahlen muss. Gegen dieses Urteil hatte die Stadt zunächst Berufung eingelegt, diese aber letztlich zurückgenommen. Damit wurde das zunächst angefochtene Urteil des Landgerichts Hanau rechtskräftig.

Die SEG hatte gefordert, die Klage der BImA abzuweisen. Dazu hatte sie verschiedene Gründe ins Feld geführt, die das Landgericht Hanau aber allesamt als unbegründet zurückgewiesen hatte. Eines der Hauptargumente der SEG war, dass die Regelungen über die Nachzahlungspflichten in §4 Absatz 2b und 2c unwirksam seien. Bei ihnen handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, nicht um Individualvereinbarungen. Die Klägerin sei nicht dazu bereit gewesen, über die Verpflichtung zu Nachzahlungen bei anders realisierter Nutzung oder unterlassener Gebäudeabrisse zu verhandeln, so die SEG. Die Regelungen seien als Preisnebenabreden zu qualifizieren, die der Inhalts-kontrolle unterlägen. Sie verstießen in eklatanter Weise gegen das Äquivalenzprinzip, da sie nicht berücksichtigten, wie sich die Änderungen bei der Realisierung der baulichen Nutzung auf den Verkehrswert auswirkten, weil sie die Klägerin einseitig begünstigten und Planungsgewinne der Beklagten vollständig abschöpften. Das sah das Landgericht grundlegend anders: „Die Regelungen über die Nachzahlungspflichten der Beklagten in § 4 Absatz 2b und 2c des Kaufvertrags sind wirksam“, heißt es in der Urteilsbegründung. „Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei ihnen überhaupt um Allgemeine Geschäftsbedingungen (…) handelt. Denn auch in diesem Fall bestünden gegen ihre Wirksamkeit keine durchgreifenden Bedenken.“ Da die Nachzahlungspflichten der SEG einen Schwerpunkt der Vertragsverhandlungen gebildet hätten, könnten die dazu getroffenen Regelungen auch nicht als überraschend angesehen werden. Auch liege kein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor, da die Nachzahlungspflichten zum Kaufvertrag klar geregelt worden seien. Eine Inhaltskontrolle finde nicht statt, weil die Nachzahlungspflichten unmittelbar die Höhe des von der Beklagten im Endergebnis zu zahlenden Kaufpreises bestimmten, so das Landgericht.                                 

Auch weitere von der SEG angeführte Punkte wie ein zu hoch angesetzter Verkaufspreis oder die Verrechnung der eigenen Mehraufwendungen mit den Nachzahlungspflichten sah das Gericht als unbegründet an. Im Ergebnis muss die Stadt also 1,2 Millionen Euro an die BImA zahlen. Hinzu kommen Zinsen, die sich nach Berechnungen der GNZ auf mindestens 410 000 Euro belaufen, sowie die Gerichtskosten. Unter dem Strich bleibt festzuhalten: Die Entwicklung des Colemanparks hat für die Stadt Gelnhausen ein teures Nachspiel.