Ein drittes Disziplinarverfahren

In der Causa Mittlauer Weg ist nach Landrat Stolz und Bürgermeister Glöckner nun auch ein ehemaliger Bediensteter der Stadt ins Visier der Aufsichtsbehörden geraten

Von Matthias Boll GNZ 16.04.2021

Gelnhausen. Bürgermeister Daniel Glöckner (FDP) hat in der Causa Mittlauer Weg ein Disziplinarverfahren gegen einen ehemaligen Bediensteten der Stadt eingeleitet. Das teilte der Gelnhäuser Rathaus-chef auf GNZ-Anfrage mit. Unterdessen ruht die Prüfung möglicher Schadenersatzansprüche gegen die Verantwortlichen der Grünflächen-Verkäufe im Meerholzer Neubaugebiet, bis die zuständigen Aufsichtsbehörden ihre Ermittlungen gegen Glöckner und den ehemaligen Bürgermeister und heutigen Landrat Thorsten Stolz (SPD) abgeschlossen haben.

Der Hessische Städte- und Gemeindebund (HSGB) hatte in seiner rechtlichen Stellungnahme unter anderem festgestellt, dass sich einer der damaligen Verantwortlichen im Zusammenhang mit dem Verkauf öffentlicher Grünflächen im Mittlauer Weg mindestens eines, wenn nicht gar mehrfacher Dienstvergehen schuldig gemacht hat. Hintergrund ist ein Interessenkonflikt, da ein Käufer der öffentlichen Grünflächen ein Angehöriger des Beamten war. Deshalb hätte dieser weder am Grundsatzbeschluss über den Grundstückspreis noch am Beschluss über den Verkauf an den Angehörigen noch an der entsprechenden Verwaltungsvorlage mitwirken dürfen, so die Juristen aus Mühlheim. Möglicherweise nicht der einzige Verstoß des ehemaligen Bediensteten der Stadt. Offen blieb in der HSGB-Stellungnahme, ob er sich darüber hinaus weiterer Dienstpflichtverletzungen schuldig gemacht haben könnte. Fraglich war insbesondere, ob er an der unzulässigen Regelung in den Kaufverträgen zur Einfriedung um die öffentliche Fläche mitgewirkt hat und ob er den Magistrat möglicherweise nicht über Einzelheiten der Vertragsmodalitäten in Kenntnis gesetzt haben könnte.

Beide Punkte ließ der Bürgermeister auf GNZ-Anfrage offen. Aber zumindest bestätigte Glöckner nun erstmals, dass „gegen einen ehemaligen Bediensteten der Barbarossastadt ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden ist“. Zuvor hatte er entsprechende Nachfragen mehrfach unbeantwortet gelassen. „Aus Gründen des Persönlichkeitsrechtsschutzes und um dieses Verfahren in seinem Gang nicht zu gefährden, werde ich dazu auf ausdrückliches Anraten meines Rechtsanwalts aktuell nichts sagen“, erklärte Glöckner.

Gegen ehemalige Stadträte sei aktuell kein Disziplinarverfahren eingeleitet worden, teilt der Bürgermeister weiter mit. „Hier werde ich den Ausgang des Disziplinarverfahrens gegen meinen Amtsvorgänger und den Ausgang des Disziplinarverfahrens gegen mich abwarten, um im Sinne der dann gewonnenen Erkenntnisse die Verantwortlichkeiten ehemaliger Stadträte zu prüfen. Auch wird hier ein möglicher weiterer Fortgang des bis auf Weiteres eingestellten Ermittlungsverfahrens bei der Staatsanwaltschaft Hanau abzuwarten sein.“

Prüfung möglicher Schadenersatzansprüche „ruht“

Der HSGB hatte in seiner rechtlichen Stellungnahme weiterhin festgestellt, dass die Grünflächen im Meerholzer Neubaugebiet weit unter Wert verkauft wurden. Inwieweit sich daraus Regressforderungen gegen die damaligen Verantwortlichen ableiten lassen, könne indes nur nach weiteren Untersuchungen geklärt werden. Die Stadtverordneten hatten bereits im September 2020 beschlossen, dass die Stadt einen Rechtsanwalt damit beauftragen soll.

Zu welchen zentralen Erkenntnissen der Anwalt bislang gekommen ist, wollte der Bürgermeister auf Anfrage nicht verraten. Er teilte dazu lediglich mit, dass „die Prüfung eventueller Schadenersatzansprüche ruht“, bis die Ermittlungen des Regierungspräsidiums Darmstadt gegen den ehemaligen Bürgermeister Stolz und der Kommunalaufsicht des Main-Kinzig-Kreises gegen ihn abgeschlossen sind. Glöckner: „Sollten hinreichende Erfolgsaussichten bezüglich einzelner Schadenersatzansprüche gegen Verantwortliche bestehen, werden wir dies mit unserem Kommunalversicherer abstimmen.“ Danach werde er dem Magistrat eine Beschlussempfehlung unterbreiten. Aktuell gehe er davon aus, dass der Stadt sodann vom Kommunalversicherer eine entsprechende Fachanwaltskanzlei empfohlen werde. „Dies ist ein übliches Procedere. Hektik ist hier nicht angesagt“, erklärte der Bürgermeister.

Unklar bleibt an dieser Stelle indes, ob die Prüfung möglicher Schadenersatzansprüche durch den beauftragten Anwalt überhaupt schon begonnen hat und jetzt ruht oder ob dazu erst noch ein zweiter Rechtsanwalt beauftragt werden muss. Eine entsprechende Nachfrage beantwortete der Bürgermeister gestern nicht. „Derzeit ist es immer noch ein laufendes Verfahren, und ich möchte hierzu keine weiteren Angaben machen – auch des Selbstschutzes wegen“, so Glöckner.

Zurückgenommene Klage gegen Glöckner könnte noch ein juristisches Nachspiel haben

Ob der Magistrat an der bereits beschlossenen 2. Änderung des Bebauungsplans festhalten wird, obwohl der HSGB darin keine ernsthafte Option zur Lösung der Probleme im Mittlauer Weg sieht, ließ der Bürgermeister auf Anfrage ebenfalls offen. Unbeantwortet blieb auch die Frage, ob die Stadt nicht zumindest gegen die Errichtung weiterer Zäune im Neubaugebiet vorgehen und eine Art Bauverbot verhängen müsste und ob sie diesbezüglich in Kontakt mit der Unteren Baubehörde beim Kreis stehe. Glöckner: „Der Magistrat wird dazu wieder beraten. Danach informieren wir Sie. Mehr würde ich hier nicht antworten; in den Kaufverträgen stand beziehungsweise steht, dass die Grünflächen eingefriedet werden dürfen.“

Unterdessen ließ der Bürgermeister durchblicken, dass der inzwischen beigelegte Rechtsstreit zwischen der Stadtverordnetenversammlung und Glöckner um die Herausgabe der HSGB-Gutachten noch ein juristisches Nachspiel haben könnte. Nachdem die Stadtverordneten in ihrer letzten Sitzung die Klage gegen ihn zurückgenommen hätten, werde nach Aussage seines Rechtsanwalts Malte Jörg Uffeln hier insbesondere auch die Frage der Verletzung von Verschwiegenheitspflichten einzelner Stadtverordneter, welche die HSGB-Gutachten im Rathaus eingesehen haben, zu prüfen sein.

In diesen Kontext werde auch die Problematik der eventuellen Weitergabe von möglichen Abschriften der Stellungnahmen im Rahmen des Schlussberichts des Akteneinsichtsausschusses „Mittlauer Weg II“ zu prüfen und rechtlich zu würdigen sein. „Nach Aussage von Rechtsanwalt Uffeln ist dies in der Gelnhäuser Stadtgeschichte ein einmaliger Vorgang, bei dem Ross und Reiter gestellt und eventuell rechtlich zur Verantwortung gezogen werden müssen“, betonte Glöckner. „Das ist ein sehr schlechter Stil. Das ist nicht mein Politikstil. Mehr sage ich dazu nicht.“