Das trügerische Gefühl eines Ex-Bauamtsleiters

GNZ – POLITUREN 20. 08. 2022 von Matthias Boll

Für den ehemaligen Bauamtsleiter der Stadt Gelnhausen wird es langsam ein kleines bisschen ungemütlich. Nach einer Strafanzeige von Bürgermeister Daniel Glöckner (FDP) hat die Staatsanwaltschaft nun ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugs und Urkundenfälschung eingeleitet. Und das nur, weil er – womöglich – nachträglich eine einzige klitzekleine zurückdatierte Grundstücksreservierung in die Akten zum Vergabeverfahren im Mittlauer Weg einsortiert hat. Aber muss man deshalb gleich die Staatsanwaltschaft einschalten? Und die fährt dann gleich auch noch die ganz schweren Geschütze auf? Das volle Programm mit Hausdurchsuchung und Sicherstellung von Beweismitteln im Gelnhäuser Rathaus und im Landratsamt? Immerhin hat der Ex-Bauamtsleiter – nennen wir ihn der Einfachheit halber mal Gunter K. – das ja auch – womöglich – nicht einfach so getan, sondern aus triftigen Gründen: Anderenfalls wäre nämlich schon vor knapp drei Jahren im Akteneinsichtsausschuss aufgefallen, dass beim Grundstück Nummer 51 im Meerholzer Neubaugebiet eine Reservierung fehlt und die Vergabeentscheidung damit rechtswidrig war. Und dann wäre das Geschrei von CDU, BG und Grünen aber wieder groß gewesen!

Da uns in der Causa „Mittlauer Weg“ gerne mal eine einseitige und skandalisierende Berichterstattung vorgeworfen wird – seltsamerweise meistens aus den Reihen der SPD Gelnhausen –, möchte ich an dieser Stelle mal eine Lanze für ihren Ex-Bauamtsleiter brechen. Denn was hätte er denn wegen der – womöglich – fehlenden Reservierung auch tun sollen? Schließlich war die Nummer 51 im Flächenerwerbsplan als grau eingefärbtes Grundstück in Privatbesitz gekennzeichnet und hätte damit gar nicht gekauft und folglich auch nicht reserviert werden können. Das wäre dann doch auch wieder aufgefallen. Und als die Nummer 51 nach Abschluss des Reservierungsverfahrens auf Anordnung von K. ihre Farbe von Grau zu Grün und damit von Privatbesitz zu städtischem Grundstück wechselte, war es schon zu spät. Ein echtes Dilemma also!

Dann hätte er halt den Flächenerwerbsplan nicht manipulieren sollen, sagen Sie? Okay, das stimmt. Aber er hat es ja auch – womöglich – nicht für sich getan, sage ich. Eigentlich handelte er – womöglich – aus reiner Nächstenliebe, wobei der Nächste in diesem Fall tatsächlich sehr nahe war: sein Sohn und seine Schwiegertochter. Ihnen wollte K. etwas Gutes tun, indem er ihnen ein exklusives Zugriffsrecht auf ein schönes Grundstück im Meerholzer Neubaugebiet ohne ein lästiges Bewerberverfahren gewährte. Das wird man ja wohl als liebender Vater noch tun dürfen.

Der Zufall wollte es, dass an das exklusive Grundstück, das keinem anderen Bewerber zur Verfügung stand, ausgerechnet auch noch eine mehr als 400 Quadratmeter große öffentliche Grünfläche angrenzte. Grünflächen werden ohnehin überbewertet … Und was die eine Arbeit für die Stadt machen … Ein großer Garten ist ja auch was Schönes … Und 38,50 Euro pro Quadratmeter ist echt ein fairer Preis … Manchmal gibt es schon echt witzige Zufälle.

Ich war zu Beginn an einer Stelle etwas zu ungenau: K. hat – womöglich – die nachträglich zurückdatierte Grundstücksreservierung nicht selbst in die Akten einsortiert, er hat sie von einer Mitarbeiterin einsortieren lassen. Das finde ich einen durchaus bemerkenswerten Vorgang. Also wenn ich eine Urkundenfälschung begehen würde, um damit meine vorherigen Betrügereien und Manipulationen verschleiern und vor einer Entdeckung schützen zu wollen, würde ich höchstwahrscheinlich nicht meine Sekretärin im Beisein einer weiteren Kollegin damit beauftragen. Ein solches Verhalten offenbart eine gewisse Überheblichkeit und Arroganz, die man sich vielleicht im Laufe der Jahre aneignet, wenn man das Gefühl gewonnen hat: Mir kann keiner was! Aber manchmal sind Gefühle eben trügerisch.

Natürlich gilt – wie immer in solchen Fällen – für K. zunächst einmal die Unschuldsvermutung. Das betrifft freilich auch das Disziplinarverfahren, das seit April 2021 in der Causa Mittlauer Weg gegen den ehemaligen Bauamtsleiter und Ex-Geschäftsführer der Stadtentwicklungsgesellschaft (SEG) läuft. Deshalb finde ich es auch gut, dass sich Landrat Thorsten Stolz, der in den Anfängen der Causa „Mittlauer Weg“ bekanntlich Bürgermeister in Gelnhausen und damit Vorgesetzter von K. war, und seine SPD völlig unbeeindruckt von allen Verwicklungen und Verfehlungen zeigten und K. für die Sozialdemokraten in den Kreisausschuss entsandten. Die Wahl fand übrigens im Juni 2021 statt, also knapp zwei Monate nach Bekanntwerden der verwaltungsrechtlichen Ermittlungen gegen K. Andererseits ist es nur konsequent: In derselben Sache läuft auch gegen Stolz seit nunmehr knapp zwei Jahren ein Dienstaufsichtsverfahren beim Regierungspräsidium Darmstadt – und Stolz sitzt als Landrat schließlich ebenfalls im Kreisausschuss. Ob die beiden wohl noch gut miteinander können und vielleicht in den Sitzungen Nettigkeiten und dunkle Geheimnisse austauschen? Und ob das auch künftig noch möglich sein wird?

Der eine oder andere aufmerksame Leser wird sich vielleicht gefragt haben, warum es geschlagene fünf Monate vom Bekanntwerden des Vorgangs im Rathaus bis zur Erstattung der Strafanzeige gedauert hat. Bürgermeister Glöckner versuchte das damit zu begründen, dass die „Zusammenstellung der Unterlagen“ in solchen Fällen eine gewisse Zeit in Anspruch nehme. Klingt plausibel. Man sollte den Zeitaufwand, um Kopien eines Bewerberfragebogens, eines Grundstücksreservierungsformulars, einer E-Mail und eines Flächenerwerbsplans zu erstellen, wirklich nicht unterschätzen. Außerdem schreibt sich so eine Strafanzeige ja auch nicht von selbst. Und ganz am Ende müssen die vier genannten Anlagen für die Staatsanwaltschaft ja auch noch in einen Briefumschlag gesteckt werden. Also das kann durchaus schon mal fünf Monate in Anspruch nehmen.

Jetzt übertreibe ich aber? Dann fahren Sie doch mal an der Gelnhäuser Stadthalle vorbei.