GNZ Freitag, 19. August 2022
Staatsanwaltschaft führt Verfahren wegen Betrug und Urkundenfälschung / Beweismittel im Gelnhäuser Rathaus sichergestellt / Unerwarteter Besuch auch im Landratsamt
In der Causa Mittlauer Weg hat die Staatsanwaltschaft Hanau ein Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Bauamtsleiter der Stadt Gelnhausen eingeleitet. Zur weiteren Tataufklärung durchsuchten Polizei und Staatsanwaltschaft gestern ein Wohnhaus. Beweismittel wurden auch im Gelnhäuser Rathaus sichergestellt.
Polizei im Rathaus: Ermittlungen gegen ehemaligen Bauamtsleiter
Gelnhausen (mb). Die Staatsanwaltschaft Hanau hat ein Ermittlungsverfahren gegen den früheren Leiter des Bauamts der Stadt Gelnhausen eingeleitet. Das teilte die Staatsanwaltschaft Hanau am gestrigen Donnerstag auf Anfrage mit. Die Strafverfolgungsbehörde ermittelt „wegen des Verdachts der mittelbaren Falschbeurkundung, der Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat, Betrugs und Urkundenfälschung“. Auch gegen dessen Sohn und dessen Schwiegertochter wurde ein Verfahren wegen Urkundenfälschung eingeleitet. Gestern durchsuchten Polizei und Staatsanwaltschaft ein Wohnhaus und stellten Beweismittel im Gelnhäuser Rathaus sicher. Auch das Landratsamt erhielt unerwarteten Besuch.
„Staatsanwaltschaft und Polizei haben die Ermittlungen aufgenommen“, hatte ein Sprecher am Mittwoch auf GNZ-Anfrage mitgeteilt. Eine Nachfrage, ob es sich dabei zunächst um sogenannte Vorermittlungen nach einer Strafanzeige handelt oder ob die Staatsanwaltschaft bereits ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat, blieb zunächst unbeantwortet. Auf erneute Nachfrage teilte die Staatsanwaltschaft Hanau nun gestern Nachmittag mit, dass sie ein Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Gelnhäuser Bauamtsleiter wegen des Verdachts der „mittelbaren Falschbeurkundung, der Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat, Betrugs und Urkundenfälschung“ führt. Gegen dessen Sohn und dessen Schwiegertochter sei ebenfalls ein Verfahren wegen Urkundenfälschung eingeleitet worden.
Durchsuchung eines Wohnhauses zur weiteren Tataufklärung
Zur weiteren Tataufklärung sei am Donnerstag durch die ermittelnde Staatsanwältin, einen weiteren Staatsanwalt sowie durch das Fachkommissariat „Korruptions- und Amtsdelikte“ des Polizeipräsidiums Südosthessen ein Wohnhaus durchsucht und dort Beweismittel sichergestellt worden. Diese Durchsuchung war auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch das Amtsgericht Hanau angeordnet worden.
Zudem seien beim Magistrat der Stadt Gelnhausen, dem Bauamt der Stadt Gelnhausen und der Stadtentwicklungsgesellschaft Gelnhausen im Wege einer sogenannten Herausgabeverpflichtung weitere Beweismittel, insbesondere Unterlagen zum Vergabeverfahren im Neubaugebiet „Mittlauer Weg“ in Meerholz, sichergestellt worden. Die Vertreter der Behörden hätten sich dabei allesamt vollumfänglich kooperativ gezeigt.
Das Landratsamt des Main-Kinzig-Kreises sei ebenfalls mit einer Herausgabeverpflichtung der Staatsanwaltschaft aufgesucht worden. Der Leiter des dortigen Bauamts habe ebenfalls kooperiert, doch hätten sich dort keinerlei für das Verfahren relevante Beweismittel befunden. Die sichergestellten Beweismittel würden nunmehr gemeinsam von der Staatsanwaltschaft Hanau und der Kriminalpolizei ausgewertet und Zeugenvernehmungen durchgeführt.
Dem Ermittlungsverfahren liegt eine Strafanzeige des Magistrats der Stadt Gelnhausen, vertreten durch den Bürgermeister, zugrunde (GNZ von gestern). Bereits am Dienstag sei der Inhalt dieser Strafanzeige detailreich online publiziert worden, so die Staatsanwaltschaft. Es sei nicht auszuschließen, dass aufgrund dieser Presseberichterstattung ein „Beweismittelverlust“ eingetreten sei.
Bürgermeister Glöckner hatte bereits im Juni Strafanzeige gegen den ehemaligen leitenden Verwaltungsbeamten der Stadt wegen des Verdachts von „Täuschungshandlungen und Urkundenfälschung im Zusammenhang mit der Vergabeentscheidung beim Verkauf eines Grundstücks“ im Meerholzer Neubaugebiet „Mittlauer Weg“ erstattet. Glöckners Schilderungen zufolge hatte der ehemalige Bauamtsleiter und Geschäftsführer der Stadtentwicklungsgesellschaft (SEG) den Flächenerwerbsplan zunächst so manipuliert, dass sein Sohn sich ein Grundstück sichern konnte, das im Bewerberverfahren keinem anderen Interessenten zur Verfügung gestanden hatte. Danach soll er – mehr als vier Jahre später – versucht haben, diese Manipulation und eine nicht erfolgte Reservierung des Grundstücks durch eine gefälschte Urkunde zu verschleiern, als eine Entdeckung durch einen eingesetzten Akteneinsichtsausschuss drohte.
Negativer Höhepunkt in der Causa Mittlauer Weg
Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den ehemaligen Bauamtsleiter und SEG-Chef und die damit verbundenen gestrigen Durchsuchungen von Polizei und Staatsanwaltschaft in einem Wohnhaus sowie deren unerwarteter Besuch im Gelnhäuser Rathaus und im Landratsamt sind der negative Höhepunkt in der Causa Mittlauer Weg, die die Öffentlichkeit seit mehr als drei Jahren beschäftigt. Seit mehr als einem Jahr werden im Zusammenhang mit der rechtswidrigen Vergabe öffentlicher Grünflächen im Meerholzer Neubaugebiet bereits Disziplinarverfahren gegen den damaligen Bürgermeister und heutigen Landrat Thorsten Stolz (SPD), Bürgermeister Daniel Glöckner (FDP) sowie den ehemaligen Bauamtsleiter der Stadt Gelnhausen geführt. Ein Ende der Verfahren ist derzeit noch nicht absehbar.
Auch die Staatsanwaltschaft Hanau hatte sich bereits vor mehr als einem Jahr nach einer Strafanzeige von CDU, BG und Grünen mit den Vorgängen im Mittlauer Weg befasst. Vorermittlungen gegen die Verantwortlichen der Grünflächenverkäufe im Meerholzer Neubaugebiet wurden aber seinerzeit eingestellt. Die Staatsanwaltschaft sah damals keinen Anfangsverdacht für Untreue, Vorteilsnahme im Amt oder einen anderen Straftatbestand. Allerdings hatte die Strafverfolgungsbehörde darauf hingewiesen, dass neue Verdachtsmomente als Ergebnis von verwaltungsrechtlichen Prüfungen noch zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens führen könnten. Ein solcher „neuer Verdachtsmoment“ hat sich nun nach einer Aktenrevision im städtischen Bauamt ergeben, deren Ergebnis zur Strafanzeige gegen den Ex-Bauamtsleiter geführt hat, auch wenn es dabei freilich nicht um den Verkauf der öffentlichen Grünflächen geht.