Manipulation und Urkundenfälschung: Staatsanwaltschaft ermittelt nach Strafanzeige von Glöckner gegen ehemaligen leitenden Verwaltungsbeamten von Matthias Boll GNZ 22-08-2022
Nach einer Strafanzeige von Bürgermeister Glöckner ermittelt nun die Staatsanwaltschaft Hanau gegen einen ehemaligen leitenden Verwaltungsbeamten wegen des Verdachts der Urkundenfälschung. Foto: Archiv
Gelnhausen. In der Causa „Mittlauer Weg“ wird die Luft für einen ehemaligen leitenden Verwaltungsbeamten der Stadt Gelnhausen immer dünner. Während seit mehr als einem Jahr bereits ein Disziplinarverfahren gegen den pensionierten Beamten läuft, ist er nun auch ins Visier der Strafverfolgungsbehörden geraten. Nachdem ihn Bürgermeister Daniel Glöckner (FDP) wegen des Verdachts der Urkundenfälschung angezeigt hat, ermitteln nun Polizei und Staatsanwaltschaft.
Das Disziplinarverfahren gegen den ehemaligen Bediensteten der Stadt war eingeleitet worden, nachdem der Hessische Städte- und Gemeindebund (HSGB) in einer rechtlichen Stellungnahme zum Verkauf öffentlicher Grünflächen im Mittlauer Weg unter anderem festgestellt hatte, dass er sich mindestens eines, wenn nicht gar mehrfacher Dienstvergehen schuldig gemacht hatte. Noch wesentlich schwerer wiegen die Vorwürfe gegen den Ex-Beamten, die nun öffentlich geworden sind. So steht er im Verdacht, „Täuschungshandlungen und Urkundenfälschung im Zusammenhang mit der Vergabeentscheidung beim Verkauf eines Grundstückes“ begangen zu haben, wie es in der von Glöckner formulierten Strafanzeige heißt, die der GNZ vorliegt. Demnach soll der Vorgang, der den Bürgermeister offenbar zum Einschalten der Staatsanwaltschaft bewogen hat, bei einer Aktenrevision im städtischen Bauamt am 11. Januar 2022 bekannt geworden sein.
Ex-Beamter soll Urkunden gefälscht haben, um Manipulationen zugunsten seines Sohnes zu verschleiern.
Glöckners Schilderungen zufolge ist der damalige Verantwortungsträger dabei äußerst perfide vorgegangen: Zunächst soll er die Planungsunterlagen so manipuliert haben, dass sein Sohn sich ein Grundstück sichern konnte, das im Bewerberverfahren keinem anderen Interessenten zur Verfügung gestanden hatte. Danach soll er – mehr als vier Jahre später – versucht haben, diese Manipulation durch eine gefälschte Urkunde zu verschleiern.
Wie der ehemalige leitende Verwaltungsbeamte dabei genau vorgegangen sein soll, ist detailliert in der siebenseitigen Strafanzeige beschrieben. Gemäß den Ausführungen des Gelnhäuser Rathauschefs, der seinerzeit noch nicht im Amt war – Bürgermeister war der heutige Landrat Thorsten Stolz (SPD) –, ergibt sich demnach folgendes Bild: Im Juli 2013 ließ der Ex-Beamte den Namen seines Sohnes und zweier weiterer Interessenten auf eine Bewerberliste für die Grundstücke im Meerholzer Neubaugebiet eintragen. In der Folge wurde zwar ein Bewerberfragebogen ausgefüllt, sein Sohn und dessen Frau nahmen aber nicht am weiteren offiziellen Vergabeverfahren teil. Eine Grundstücksreservierung wurde demnach nicht vorgenommen, daher auch keine entsprechende Reservierungsgebühr von 1 000 Euro bei der Stadtentwicklungsgesellschaft (SEG) hinterlegt. Auch eine vorherige Auswahlentscheidung gemäß der verbindlich geregelten Praxis fand in der Verwaltung offenbar nicht statt.
Ende 2019, also mehr als vier Jahre später, soll der damalige Verwaltungsbeamte einer Mitarbeiterin nachträglich ein Formular überreicht haben, in dem eine Grundstückreservierung von seiner Schwiegertochter mit dem Datum 10. Juni 2015 eingetragen war. Auf seine Anordnung hin habe die Mitarbeiterin, im Beisein einer Kollegin, dieses Formular chronologisch in die Bewerberverfahrensakte aufgenommen. „Hinsichtlich dieser Urkunde besteht der Verdacht einer Urkundenfälschung“, heißt es in der Strafanzeige. Als Zeuginnen des Vorgangs werden darin die beiden Mitarbeiterinnen benannt. Das Strafgesetzbuch sieht für eine Urkundenfälschung eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vor.
Hintergrund der wohl nachträglich rückdatierten und knapp viereinhalb Jahre später in die Akten eingefügten Grundstücksreservierung dürfte die Einberufung des Akteneinsichtsausschusses „Mittlauer Weg“ gewesen sein, wie der Bürgermeister vermutet. Dadurch habe die Gefahr bestanden, dass die fehlende Reservierung und damit rechtswidrige Vergabeentscheidung ans Licht kommen könnte. Deshalb habe ein erhebliches Interesse daran bestanden, diese Verfahrenslücke nachträglich durch eine falsche Urkunde zu schließen. Glöckner geht davon aus, dass die Schwiegertochter zu Täuschungszwecken eine nachträglich rückdatierte Urkunde hergestellt hat, die ihr Schwiegervater dann ebenfalls zu Täuschungszwecken in die Vergabeunterlagen aufnehmen ließ. Dabei ist den beiden Beschuldigten offenbar ein Fehler unterlaufen: Auswahl und Reservierung der Grundstücke haben nach Angaben des Bürgermeisters erst einen Tag später, am 11. Juni 2015, begonnen.
Farben im Flächenerwerbsplan nachträglich geändert
Die mögliche Straftat hat noch eine weitere pikante Note. Denn der ehemalige leitende Verwaltungsbeamte musste außerdem befürchten, dass Manipulationen am Grundstücksplan zugunsten seines Sohnes und seiner Schwiegertochter im Akteneinsichtsausschuss entdeckt werden könnten. So soll die Nummer 51 auf dem Plan zunächst grau eingefärbt gewesen sein und damit nicht als städtisches Grundstück zum Verkauf gestanden haben. Nach dem Ende des Reservierungsverfahrens sei es im Flächenerwerbsplan aber wieder grün eingefärbt worden. „Durch diese Manipulation hat das Grundstück 51 vor dem Auswahl- und Reservierungsverfahren niemals Bewerbern aus der Bewerberliste zur Verfügung gestanden“, stellt der Bürgermeister fest. Damit hatten Sohn und Schwiegertochter wohl ein exklusives Zugriffsrecht. Belegt wird dieser Sachverhalt durch eine E-Mail im Auftrag des Ex-Beamten an das beauftragte Planungsbüro vom 11. September 2015. Darin wird darum gebeten, die Nummer 51 „als reserviert grün zu kennzeichnen“, verbunden mit einem „P.S.“: „Sollte schon längst geändert sein.“ Nur eine halbe Stunde später vermeldete das Planungsbüro Vollzug mit der Übersendung des neu eingefärbten Flächenerwerbsplans.
Geheimer Informant aus dem Gelnhäuser Rathaus
„Im Interesse meiner Stadt“, wie Glöckner am Ende der Strafanzeige betont, habe er es als seine Pflicht als Bürgermeister angesehen, den gesamten Vorfall der Staatsanwaltschaft zu unterbreiten. Warum es vom Bekanntwerden des Vorgangs im Januar 2022 bis zur Anzeige im Juni 2022 dauerte, versuchte der Bürgermeister auf GNZ-Anfrage damit zu begründen, dass die „Zusammenstellung der Unterlagen“ eine gewisse Zeit in Anspruch genommen habe. Den Magistrat habe er in einer Sitzung am 14. Juni in Kenntnis gesetzt.
Die Öffentlichkeit wollte Glöckner darüber indes eigentlich nicht informieren. Das hat offenbar jemand anderes aus dem Gelnhäuser Rathaus übernommen, der den Inhalt der Strafanzeige per Post an die GNZ geschickt hat. Glöckner zeigte sich darüber gestern Mittag im Gespräch mit der GNZ „verwundert“, zumal er persönlich noch nicht einmal das Eingangsschreiben der Staatsanwaltschaft zu Gesicht bekommen habe. Folglich wisse er aktuell noch nicht einmal das Aktenzeichen, unter dem der Vorgang bei der Staatsanwaltschaft Hanau geführt wird. Wer alles Zugang zu der Strafanzeige hatte und ein Interesse daran haben könnte, dass sie öffentlich wird, vermochte Glöckner nicht zu sagen. Der Bürgermeister befindet sich zurzeit im Urlaub und wird durch den Ersten Stadtrat Volker Rode (CDU) vertreten.
Der GNZ hatte der anonyme Informant aus dem Rathaus indes das Aktenzeichen genannt. Und eine entsprechende Nachfrage ergab, dass in der Tat ein entsprechendes Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Hanau anhängig ist. „Staatsanwaltschaft und Polizei haben die Ermittlungen aufgenommen“, teilte ein Sprecher der Behörde gestern auf GNZ-Anfrage mit.