GNZ vom 14.08.2024
Omegabrücke: Wie die Gegner das Millionen-Projekt in Gelnhausen stoppen wollen
Der Bahnübergang der K 904 am Ortsausgang von Hailer und Meerholz ist seit November 2023 geschlossen. Geht es nach der Bürgerinitiative „Erhalt der K 904“, soll dies auch künftig der Fall sein. Als Argument führen sie unter anderem hohe Kosten für die Verlegung der Ladestraße (rechts) an, die für den Bau der Omegabrücke erforderlich wäre. Foto: Abel
„Planfeststellungsverfahren einstellen“
Gelnhausen-Meerholz/Hailer (mab). Seit der zweitägigen Erörterungssitzung zur geplanten Omegabrücke am Ortseingang von Hailer und Meerholz ist es in der Öffentlichkeit still um den Gelnhäuser Dauerzankapfel geworden. Die Bürgerinitiative „Erhalt der K 904“ will dies ändern. Was die Brückengegner planen und wie es im Verfahren weitergeht.
Es war eine echte Mammutsitzung: An zwei Tagen im April sind 140 Teilnehmer zum lang erwarteten Erörterungstermin im Planfeststellungsverfahren für die Omegabrücke in die Jahnhalle Hailer gekommen. Ein Großteil davon gehörte zu den insgesamt 487 Menschen, die schriftliche Einwendungen gegen das Bauprojekt verfasst hatten, das die Landesbehörde Hessen Mobil im Auftrag des Main-Kinzig-Kreises plant.
Wie das Regierungspräsidium Darmstadt (RP) auf GNZ-Nachfrage mitteilt, ist das Anhörungsverfahren, für das die Behörde zuständig ist, noch nicht abgeschlossen. „Es ist derzeit leider nicht absehbar, wann wir das Verfahren dem Hessischen Wirtschaftsministerium zur Entscheidung übergeben können“, sagt ein RP-Sprecher. Aktuell tausche sich die Behörde mit dem Vorhabenträger (Main-Kinzig-Kreis) und Hessen Mobil über das weitere Vorgehen aus. Worüber die Beteiligten derzeit genau sprechen, teilt das RP nicht mit. In der Erörterungssitzung hatte die zuständige Leiterin, Christine von Knebel (RP), immerhin aufhorchen lassen, als sie Zweifel an der Eigenständigkeit des Verfahrens durchblicken ließ und die Frage aufwarf, warum die Omegabrücke nicht Teil des Planfeststellungsbeschlusses für den Bahnausbau sei. Der ist immerhin der Grund für die Schließung des bisherigen Bahnübergangs in Hailer und Meerholz.
„Verkehrskollaps ist komplett ausgeblieben“
Wenn es nach der Bürgerinitiative „Erhalt der K 904“ geht, soll dem Ministerium die Entscheidung über die Omegabrücke erspart bleiben. „Wir fordern den Main-Kinzig-Kreis auf, das Planfeststellungsverfahren einzustellen“, meint Sprecherin Lydia Naunheim: „Viele Bürger lehnen den Bau einer Omegabrücke ab. Mehr als 2 300 Menschen haben sich in einer Unterschriftenaktion gegen das Projekt ausgesprochen. Und rund 500 Einwender haben dem Planfeststellungsantrag für den Bau der Omegabrücke und dem Ausbau der Kreisstraßen K 904 und K 862 widersprochen.“
Keine Frage, die BI verspürt Rückenwind. Und den will sie nun nutzen, um den Brückenbau und die damit verbundenen Eingriffe innerhalb der Ortsteile zu verhindern. „Der Kreis sollte den Bürgerwillen beachten“, ist Bodo Delhey überzeugt. Und: „Er sollte auf die veränderte Situation seit November 2023 reagieren.“ Seitdem ist der Bahnübergang am Ortseingang von Meerholz und Hailer geschlossen. Damit fällt der Meerholzer Landweg als Verbindung zwischen Gelnhausen und Lieblos weg. Genau diesen aufrecht zu erhalten ist das Ziel der Brücke. „Allerdings ist der befürchtete Verkehrskollaps komplett ausgefallen“, sagt Naunheim. „Im Gegenteil: Die Situation in der Ortsdurchfahrt hat sich spürbar verbessert.“
Die Brücke würde die Fahrzeuge wieder in den Ort hineinziehen, sagt die BI. Laut Planfeststellungsunterlagen würde sich das Verkehrsaufkommen auf der K 904 von zuletzt 2 500 Fahrzeugen bis 2030 auf rund 6 000 Fahrzeuge mehr als verdoppeln. Das ist in der Erörterungssitzung vielen Menschen klar geworden“, sagt Naunheim, die nun eine neue Verkehrszählung in der Ortsdurchfahrt von Meerholz und Hailer nach den Sommerferien ankündigt. „Wenn es an der Westspange Probleme gibt, sollten sie dort gelöst werden und nicht durch den Bau einer Brücke noch mehr Verkehr nach Hailer und Meerholz gezogen werden“, ist Bodo Delhey überzeugt.
Brückengegner favorisieren Nulllösung
„Nicht nur seit dem Eröterungstermin sind mittlerweile viele Menschen der Ansicht, dass der Bahnübergang und die K 904 dauerhaft geschlossen bleiben sollten und weder eine Brücke noch eine Unterführung gebaut werden sollte“, spricht er die sogenannte Nulllösung an. Und die, betonen die BI-Vertreter, koste auch null Euro. Die Brücke und die damit verbundenen weiteren Vorhaben belasteten die Bürger dagegen mit Kosten zwischen 18 und 25 Millionen Euro. „Immer mehr Menschen begreifen, um was es sich dabei handelt, nämlich um reine Steuerverschwendung“, sagt Lydia Naunheim.
„Die Verantwortlichen im Main-Kinzig-Kreis scheint der Bürgerwille allerdings nicht zu interessieren“, spricht die BI-Sprecherin eine strittige Frage an – nämlich die, ob der Main-Kinzig-Kreis überhaupt dazu legitimiert war, das alte Planfeststellungsverfahren, das 2006 eröffnet worden war, einzustellen und dann ein neues Verfahren zu eröffnen. „Diese Frage wurde beim Erörterungstermin nicht beantwortet.“
Hat der Kreistag überhaupt grünes Licht für das Vorhaben gegeben? Wie ein Kreissprecher auf GNZ-Nachfrage antwortet, war der mögliche Bau der Omegabrücke bisher kein Tagesordnungspunkt im Kreistag. Und: „Zum jetzigen Zeitpunkt geht die Verwaltung davon aus, dass auch im weiteren Verlauf des Verfahrens kein Kreistagsbeschluss dazu erforderlich sein wird.“ In einer Antwort auf eine Anfrage der BI schreibt die Kreisverwaltung: „Der politische Entscheidungsprozess war lange vorher abgeschlossen und ist rückwirkend nicht in Frage zu stellen.“ Darin verweist die Verwaltung auf einen Beschluss des Kreisausschusses von 2016, das Planungsverfahren fortzusetzen.
BI erwartet Kosten in Millionenhöhe für Stadt
Von Anfang an hatte die Kreisspitze die Zustimmung der Stadt Gelnhausen zu einer Bedingung für das Vorhaben gemacht. Zweimal haben die Stadtverordneten für die Errichtung der Omegabrücke mehrheitlich die Hände gehoben, zunächst 2018, dann erneut im vergangenen Jahr. Die BI hatte die Abstimmungsergebnisse beide Male deutlich kritisiert. „Den meisten Stadtverordneten scheinen der Wille und der Schutz der Bürger aus Hailer und Meerholz egal zu sein“, sagt Lydia Naunheim. „Sie haben im Oktober 2023 die Brücke befürwortet, ohne die neuen Planfeststellungsunterlagen zuvor zu prüfen und zu bewerten.“ Denn dann, meinen die BI-Vertreter, hätten sie bemerkt, dass im Zuge des Projekts deutliche Kosten auf die Stadt zukommen. Hintergrund ist die Verlegung der Bahn- und der Ladestraße auf einer Länge von 250 Metern, die, wie aus dem Feststellungsentwurf hervorgeht, für die Zufahrt zur Brücke erforderlich wird. „Da es sich um Gemeindestraßen handelt, muss die Stadt für den Neubau zahlen, dazu kommen noch die Kosten für Elektroleitungen, Gas- und Wasserleitungen und Kanäle“, rechnet Bodo Delhey mit einem Millionenbetrag. „Diese Kosten hatte keiner auf dem Schirm, auch nicht der Bürgermeister, der immer davon spricht, dass das Vorhaben die Stadtkasse nicht belastet. Beim Erörterungstermin hat sich bestätigt, dass das Gegenteil der Fall ist.“
Auf die Frage der GNZ, welche Arbeiten und Kosten bezüglich der Verlegung der Straßen im Zuge der Omegabrücke auf die Stadt zukämen, antwortet das Rathaus etwas knapp: „Es liegen noch keine neuen Informationen zu den erfragten Baumaßnahmen, den Kosten für die Stadt Gelnhausen und zum Baubeginn vor.“
Unterschriftenaktion soll Stadtparlament zum Umdenken bringen
Und wie geht es weiter? Neben der angekündigten Verkehrszählung will die BI eine neue Unterschriftenaktion für die dauerhafte Schließung des Bahnübergangs und der K 904 starten, die sich an das Stadtparlament richten soll. Ziel ist es, einen erneuten Parlamentsbeschluss herbeizuführen. Am 1. September wollen die Mitglieder beim Schöpfungstag in Meerholz Unterschriften sammeln und über die Auswirkungen des Vorhabens informieren. Und die sind aus Sicht der BI verheerend: Zu den Problemen, die die Initiative anprangert, gehören die Versetzung der Meerholzer Schlossmauer, die Enteignung von Gärten im Heimatfriedering, drohende Staus und Rückstaus in der Liebloser Straße und der Ortsdurchfahrt durch die neue Ampelanlage, die Zunahme des Verkehrs inklusive einer Verschärfung der Lärm- und Abgasbelastung, Gefahren für Radfahrer, Schüler und die Bewohner des angrenzenden Seniorenheims und Auswirkungen auf die Natur. Unter anderem führen die BI-Vertreter einen Retentionsraumverlust von 7 000 Kubikmetern, einen Flächenverlust von 5 bis 6 Hektar und eine Neuversiegelung von etwa 5 000 Quadratmetern in den Kinzigauen an.
Der politische Willensbildungsprozess ist also zumindest aus Sicht der Bürgerinitiative noch lange nicht abgeschlossen.