Parlament schaltet Staatsanwaltschaft ein

Causa Mittlauer Weg: Magistrat soll außerdem die Einleitung von Disziplinarverfahren anstoßen und mögliche Schadensersatzansprüche gegen Verantwortliche gerichtlich geltend machen

Von Matthias Boll GNZ 02.10.2020

Gelnhausen-Meerholz. Die Causa Mittlauer Weg wird auf eine höhere Ebene gehoben: Die Stadtverordnetenversammlung hat am Mittwochabend zum einen beschlossen, die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Dazu soll der Magistrat der Justizbehörde den vollständigen Sachverhalt schriftlich unterbreiten und um Prüfung bitten, ob ein Ermittlungsverfahren einzuleiten ist. Zum anderen soll der Magistrat unverzüglich die Einleitung von Disziplinarverfahren gegen die Verantwortlichen der Grünflächenverkäufe bei den zuständigen Stellen anregen. CDU, BG und Grüne erhielten für ihren Vorstoß, der insbesondere aus der juristischen Expertise des Hessischen Städte- und Gemeindebundes resultiert, die Zustimmung von Pia Horst (fraktionslos) und etwas überraschend auch von der FDP. Deren Koalitionspartner SPD lehnte diese beiden Punkte indes geschlossen ab, nur Markus Kolb (SPD) enthielt sich der Stimme. Ebenfalls gegen den Willen der SPD setzten die Stadtverordneten durch, dass mögliche Schadensersatzansprüche, die aus dem Verkauf der öffentlichen Grünflächen resultieren könnten, gerichtlich geltend gemacht werden sollen.

CDU, BG und Grüne hatten gemeinsam drei Anträge zum Mittlauer Weg gestellt und noch zwei Ergänzungen vorgenommen. Die SPD/FDP-Koalition hatte einen Änderungsantrag mit fünf Punkten dazu eingebracht. Dieses komplexe Gebilde von Vorschlägen und Gegenvorschlägen mündete am Ende einer fast dreistündigen Diskussion (siehe Bericht auf dieser Seite) in eine Abstimmung über neun einzelne Punkte. In Teilen kamen die Fraktionen dabei tatsächlich auf einen gemeinsamen Nenner. Bei den zentralen Forderungen von CDU, BG und Grünen, die Staatsanwaltschaft heranzuziehen, Disziplinarverfahren gegen die Verantwortlichen anzustoßen und mögliche Schadensersatzansprüche gerichtlich geltend zu machen, wollte die SPD jedoch nicht mitgehen. Der Grund liegt auf der Hand: Die beiden Hauptverantwortlichen für die Grünflächenverkäufe im Mittlauer Weg sind der damalige Bürgermeister Thorsten Stolz und der ehemalige Bauamtsleiter und Geschäftsführer der Stadtentwicklungsgesellschaft (SEG), Günther Kauder – beides bekanntlich Mitglieder der SPD.

SPD lehnt Forderungen nach Staatsanwaltschaft, Disziplinarverfahren und Schadensersatzansprüchen ab

Die Fraktionen von CDU, BG und Grünen vertreten schon seit längerer Zeit die Ansicht, dass der Verkauf von öffentlichen Grünflächen an Privatpersonen im Neubaugebiet nicht rechtens war. Dem damaligen Bürgermeister und heutigen Landrat Stolz werfen sie unter anderem vor, die Grundstücke zum Preis von 38,50 Euro pro Quadratmeter und damit weit unter Wert verkauft zu haben. Ihre Ansichten und Kritikpunkte sehen die drei Fraktionen durch eine Stellungnahme des Hessischen Städte- und Gemeindebundes (HSGB) bestätigt. Deshalb fordern sie auch explizit, der Staatsanwaltschaft beziehungsweise den übergeordneten Behörden die juristische Expertise des HSGB zur Verfügung zu stellen.

Während die Meinungen in Bezug auf Staatsanwaltschaft, Disziplinarverfahren und Schadensersatzansprüche also auseinander gingen, herrschte in anderen Punkten Einigkeit in der Stadtverordnetenversammlung. So soll der Magistrat prüfen, inwieweit er die beiden Stellungnahmen des HSGB veröffentlichen und gegebenenfalls mit eventuellen Schwärzungen zugänglich machen kann. Bürgermeister Daniel Glöckner hat die juristische Expertise der Öffentlichkeit bislang vorenthalten und auch keine Angaben zu deren Inhalt gemacht. Den Stadtverordneten sind zudem beide Dokumente vorzulegen. Ebenfalls einstimmig beschloss das Parlament die Bildung eines weiteren Akteneinsichtsausschusses, der sich mit den Stellungnahmen des HSGB einschließlich der dazu geführten Kommunikation befassen soll.

Konsens herrschte auch in Bezug auf das Mediationsverfahren, an dem die Bewohner des Mittlauer Wegs einerseits und die Stadt andererseits teilnehmen sollen. Als Mediator soll Prof Dr. Roland Fritz fungieren, früherer Präsident des Verwaltungsgerichts Frankfurt und anerkannter Fachmann auf dem Gebiet der Schlichtung. Der SPD-Mann wurde von Petra Schott-Pfeifer (CDU) vorgeschlagen und hat nach ihrer Aussage bereits seine Bereitschaft signalisiert. An der Mediation sollen der Bürgermeister, der Ortsvorsteher und jeweils ein Vertreter der Fraktionen teilnehmen.

Ebenfalls unstrittig war der Beschluss, die Fertigstellung der Straßenanlagen und der -beleuchtung sowie des Fuß- und Radweges entlang der Lärmschutzwand zu beauftragen. 2021 sollen diese Arbeiten abgeschlossen sein. Außerdem verständigten sich die Stadtverordneten darauf, dass zunächst keine weiteren Maßnahmen beziehungsweise Beschlüsse erfolgen sollen, bis die Stellungnahme eines spezialisierten Rechtsanwalts vorliegt, der die noch offenen Fragen des Akteneinsichtsausschusses beantwortet.