„Dann sind wir ein zweites Ahrtal“
Gelnhausen-Meerholz (mab). Die Hochwasserkatastrophe in Mitteleuropa hat die Welt im September in Atem gehalten. Aber auch im Main-Kinzig-Kreis sorgen sich Menschen zunehmend vor Starkregenereignissen. Drei davon sind Jochen Zahn, Klaus Volz und Peter Seifert aus Meerholz. Sie sagen: Die Stadt muss endlich ihrer Verantwortung gerecht werden.
Ein Sommertag in Meerholz. Ortsvorsteher Jochen Zahn und Klaus Volz haben die GNZ eingeladen, um den Zustand des Flutgrabens an der Lärmschutzwand der Bahn in Meerholz zu besichtigen. Die beiden Mitglieder des Ortsbeirats beschäftigen sich seit mehr als drei Jahren intensiv mit der Überlastung der örtlichen Kanalisation. Fast genauso lange fordern sie einen zweiten Durchlass unter der Lärmschutzwand, durch den das Abwasser in die Kinzigauen und von dort weiter in Richtung Niedermittlau abfließen kann.
Eklige Engpässe
Schon jetzt ist die Situation äußerst angespannt, berichten sie im Gespräch mit der GNZ. Wenn die Lärmschutzwand im Zuge des Bahnausbaus erst einmal um mehrere Meter in Richtung Wohnbebauung verlegt wird, werden die Probleme noch größer, sind beide überzeugt. Dann soll der Flutgraben weiter verrohrt werden. Deshalb fordern Zahn und Volz, im Zuge des Bahnausbaus einen zweiten Durchlass zu schaffen (die GNZ berichtete).
Doch wie sieht die Situation aktuell aus? Derzeit fließen nahezu alle Abwässer aus Hailer und Meerholz an der Ecke Bahnstraße/Mühlrainstraße zusammen. Hier hat die Stadt 1989 ein unterirdisches Überlaufbecken errichtet. Ist es voll, fließt das Wasser durch ein Rohr in den Flutgraben. „Und dann bleibt es einfach stehen“, sagt Klaus Volz und deutet auf die Wasserlache am Auslauf. „Dabei hat es seit Tagen nicht geregnet. Auch wenn der Graben vor Kurzem erst gesäubert wurde, ist er schon wieder zugewuchert“, zeigt er auf Fäkalien, Klopapier und Äste, die dem Wasser den Weg versperren. Bei starkem Regen, betonen die beiden Meerholzer, fließen die Niederschläge nicht schnell genug ab. 2024 wurde die Bahnstraße bereits mehrfach zum Fluss. „Die Stadt lässt den Graben zwar regelmäßig reinigen, aber wo die Arbeiter aufgrund von Bäumen und Sträuchern mit ihren Maschinen nicht hinkommen und händisch tätig werden müssten, bleiben die Zweige und Äste einfach liegen“, meint Jochen Zahn, der das Problem bereits mehrfach im Rathaus angesprochen hat. „Da wird auf die hohen Kosten verwiesen.“
Wer dem Flutgraben in westlicher Richtung folgt, gelangt zu einer brenzligen Stelle. Auf der Höhe des Waschbachwegs wird der Graben durch ein Rohr geführt. Von dem ist an diesem Tag allerdings nur wenig zu sehen. Es dauert mehrere Minuten, bis Peter Seifert, ein Anwohner bei dem das Wasser schon mehrfach in Haus und Gelände stand, die Einmündung von altem Mähgut, Tennisbällen und sogar einem Stiefel befreit hat. „Hier stand das Wasser beim letzten Regen bis zur Kante“, sagt Klaus Volz. „Und es war nur ein normaler Regen. Wenig hätte gefehlt, und der Graben wäre übergelaufen.“
Etwas weiter südlich, an der Ecke zur Unterdorfstraße, sieht der Graben deutlich gepflegter aus. Allerdings: Er ist auffällig eng. Und: Eine Pumpstation befördert das Wasser auf Höhe der Schulhausstraße zurück in Richtung Mühlbachweg, wodurch sich die Situation noch zuspitzt. Die Meerholzer fordern: „Die Stadt muss den Graben deutlich sorgfältiger reinigen lassen.“ Und: „Es muss ein zweiter Durchlass durch die Lärmschutzwand geschaffen werden, idealerweise auf Höhe des Waschbachwegs.“
Das sieht die Stadt übrigens genauso. Wie das Rathaus im Juni auf GNZ-Anfrage geschrieben hatte, habe die Verwaltung im Zuge des Auslegungsverfahrens zum viergleisigen Bahnausbau in Gelnhausen mehrfach gefordert, einen zweiten Durchlass zu schaffen. Die Bahn hatte wiederum darauf verwiesen, dass die Entwässerung vom Grundsatz her eine städtische Aufgabe sei und dass die Situation durch den Bahnausbau nicht verschlechtert werde. Ganz anders hatte der Main-Kinzig-Kreis die Situation bewertet. So sei die von der Bahn eingereichte Planung aus Sicht der Unteren Wasserbehörde nicht ausreichend und müsse entsprechend angepasst werden, hatte ein Kreissprecher in einer Stellungnahme betont (die GNZ berichtete). Die Kosten, hießt es darin, seien auf jeden Fall von der Bahn als Vorhabenträgerin zu übernehmen.
Wer den Durchlass am Ende bezahlt, ist aus Sicht von Zahn und Volz vorerst zweitrangig. „Wichtig ist, dass er kommt.“ Dabei zweifeln sie die Aussage der Bahn, dass sich die Situation durch den Schienenausbau nicht verschlechtern werde, deutlich an. „Immerhin soll die Lärmschutzwand um sechs Meter in Richtung der Wohnbebauung verlegt werden. Dann hat das Wasser noch weniger Platz, um abzulaufen. Die Stadt muss endlich eine verbindliche Regelung mit der Bahn treffen, damit der weitere Durchlass kommt“, meint Jochen Zahn und kündigt an, einen entsprechenden Antrag mit dem Ortsbeirat einzubringen. In der jüngsten Sitzung des Gremiums am 24. September hat Bürgermeister Christian Litzinger angekündigt, entsprechende Mittel in den Jahreshaushalt 2025 einzustellen. „Das höre ich gerne“, meint Zahn. „Aber wir haben in der Vergangenheit schon häufig Mittel in den Haushalt eingestellt, ohne dass aus den Projekten etwas geworden ist. In diesem Fall muss es anders laufen.“
Der Stadtteil ist gewachsen, der Kanal nicht
Das Grundproblem, erläutert Klaus Volz, sei der Umstand, dass Meerholz in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen sei. Er verweist auf das Neubaugebiet Wiesenbornstraße auf dem früheren Gelände der Firma Müller, das Neubaugebiet Bruchweg, den Mittlauer Weg oder das benachbarte HSK-Gelände, wo vor zwei Jahren 27 neue Wohnungen geschaffen wurden und das noch einmal um 27 Wohnungen erweitert wird. Auch in Hailer sei immer mehr gebaut worden, während sich an der Dimensionierung der Abwasserkanäle seit mindestens 20 Jahren nichts getan habe. „Vor vier Jahren wurden die Kanäle im Bereich der Palaisstraße und der Hanauer Landstraße umgebaut. Jetzt kommt das Wasser noch schneller in die Senke“, sagt Volz. Peter Seifert kennt die Folgen nur zu gut. „Früher stand unser Keller alle zehn bis 15 Jahre unter Wasser, seit einigen Monaten passiert das schon, wenn es nur zu nieseln anfängt.“
Für Volz eine Folge immer neuer Bauprojekte mit einhergehender Bodenversiegelung. „Und das Wasser fließt nach wie vor durch ein einziges Rohr in Richtung Niedermittlau, das schafft massive Probleme im Bereich der Lärmschutzwand“, betont der Meerholzer und findet deutliche Worte: „Kommt es bei Starkregen einmal zu einem Stromausfall und die Pumpen an der Kläranlage versagen, sind wir ein zweites Ahrtal.“
Quellenangabe: Gelnhäuser Neue Zeitung vom 04.10.2024, Seite 28