Während der Bürgermeister weiter schweigt, haben Recherchen der GNZ aufgedeckt, dass der HSGB (Hessischer Städte- und Gemeindebund) seine Stellungnahme zum Mittlauer Weg zurückgezogen hat. Die erste Expertise wurde offenbar in der Annahme erstellt, die Grünflächen seien noch nicht verkauft worden.
CDU, BG und Grüne drohen mit Kommunalaufsicht und rechtlichen Schritten. Glöckner kündigt unterdessen an, den Inhalt des neuen Dokuments „vorzutragen“.
Von Matthias Boll GNZ
Nachdem Bürgermeister Daniel Glöckner (FDP) sich mehr als eine Woche lang beständig ausgeschwiegen und Anfragen der Fraktionen sowie der Presse zum Mittlauer Weg beharrlich ignoriert hatte, sendete er am Sonntagabend ein Lebenszeichen via E-Mail. In einem Schreiben an alle Stadtverordneten, das der GNZ vorliegt, äußert er sich zu den Fragen, die CDU, BG und Grüne in ihrer jüngsten gemeinsamen Anfrage am vergangenen Donnerstag aufgeworfen hatten. Die zentrale Forderung der drei Fraktionen erfüllte er indes nicht: Die erste Stellungnahme des Hessischen Städte- und Gemeindebundes hält Glöckner weiterhin unter Verschluss. Das wiederum wollen CDU, BG und Grüne so nicht akzeptieren: Sie untermauerten gestern in einer erneuten Anfrage ihre Forderung nach Herausgabe der Expertise und drohten anderenfalls, die Kommunalaufsicht einzuschalten und weitere rechtliche Schritte zu prüfen. Unterdessen ist gestern Nachmittag die zweite Stellungnahme des HSGB eingetroffen, wie der Bürgermeister auf GNZ-Anfrage bestätigte, ohne Angaben zum Inhalt zu machen. Er kündigte an, dass die Inhalte des Dokuments in der nichtöffentlichen Sitzung des Akteneinsichtsausschusses heute Abend zwar „vorgetragen“, aber „aufgrund datenschutzrechtlicher Anforderungen nicht weitergeleitet“ würden.
Angesprochen auf den Inhalt der ersten Expertise, betonte der Bürgermeister am Sonntagabend: „Ich halte es für wenig sinnvoll und lösungsorientiert, die erste Stellungnahme des Hessischen Städte-und Gemeindebunds (HSGB) heranzuziehen, da diese von einem anderen Sachverhalt ausgeht.“ Inzwischen habe der HSGB auch darum gebeten, die Stellungnahme nicht zu verwenden.
CDU, BG und Grüne wollten in ihrer Anfrage vom Donnerstag weiterhin wissen, warum der HSGB angenommen habe, dass die öffentlichen Grünflächen noch nicht verkauft worden seien, und wie dieser Irrtum festgestellt worden sei. Daraufhin antwortete der Rathauschef: „Auf Nachfrage des HSGB, ob es zu einem Vollzug der Kaufverträge gekommen sei, habe ich geantwortet, dass dies nicht der Fall wäre; habe dies aber nur auf meine Amtszeit bezogen. Durch die Berichterstattung in der Presse fragte der HSGB nochmals bei mir nach, ob es wirklich auch nicht zu einem Vollzug der Kaufverträge gekommen sei. Daraufhin wurde die ganze Angelegenheit zwischen der Barbarossastadt Gelnhausen und dem HSGB dahingehend aufgeklärt.“ Nachgereicht worden seien Kopien von Kaufverträgen sowie eine Auflistung der vollzogenen Kauf- und Pachtverträge. Glöckner betonte außerdem, dass die erste Stellungnahme an keine Mandatsträger weitergeleitet worden sei. Die neue Expertise werde voraussichtlich am Montag, 14. September, vorliegen, so die Auskunft des Bürgermeisters am Sonntagabend.
Unzureichende Antworten
BG, CDU und Grüne wiederum sahen ihre sechs Fragen vom vergangenen Donnerstag nur unzureichend beantwortet. Deshalb stellten sie gestern eine erneute Anfrage, um deren Beantwortung sie bis zum heutigen Dienstag, 12 Uhr, baten. In deren Mittelpunkt steht die erneute Forderung nach der Herausgabe der ersten HSGB-Stellungnahme.
Zunächst weist Antragsteller Jochen Zahn (BG) in dem Schreiben darauf hin, dass der Bürgermeister die Frage zum Inhalt der Expertise nicht beantwortet habe. Inhaltlich müssten Auskunftsverlangen aber nach gültiger Rechtsprechung vollständig beantwortet werden. Der Umstand, dass der HSGB darum gebeten habe, die Stellungnahme nicht zu verwenden, hindere nicht, diese den Stadtverordneten zur Kenntnis zu geben. „Auf eine entsprechende Anfrage ist es vielmehr Ihre Verpflichtung, diese zu beantworten. Ihnen ist es auch verwehrt, die Fragen inhaltlich zu bewerten, wie dies geschehen ist“, so Zahn.
Dass es den drei Fraktionen ernst ist mit der Forderung nach Aufklärung, machen sie unmissverständlich klar: „Wir weisen bereits jetzt darauf hin, dass wir eine Weigerung der Antwort beziehungsweise Herausgabe der Stellungnahme unter keinen Umständen hinnehmen und in diesem Fall die Kommunalaufsicht einschalten und weitere rechtliche Schritte prüfen werden.“ Das Gutachten sei von hohem Interesse, weil es den Sachverhalt aus der Sicht der damals Verantwortlichen vor dem Verkauf der Grundstücke beurteile.
In ihrer ergänzenden Anfrage vom Montag wollen BG, CDU und Grüne neben dem Inhalt der ersten Stellungnahme wissen, wann der Irrtum aufgeklärt, wann die Unterlagen nachgereicht und warum die Verträge nicht – wie vom Akteneinsichtsausschuss gefordert – direkt übermittelt worden seien. Zudem zweifeln die drei Fraktionen die Darstellung des Bürgermeisters an, nach der es in seiner Amtszeit zu keinerlei Verkäufen öffentlicher Grünflächen gekommen sei. So heißt es in der vierten Frage an den Rathauschef: „Nach unseren Erkenntnissen wurden während Ihrer Amtszeit weitere Verträge abgeschlossen. Wir fragen deshalb: Welche Verträge wurden während Ihrer Amtszeit abgeschlossen? Gegebenenfalls: Warum haben Sie dies dem Hessischen Städte- und Gemeindebund auf Nachfrage nicht mitgeteilt?“ Außerdem wollen die drei Fraktionen wissen, ob Mitglieder des Magistrats oder der Stadtverordnetenversammlung beziehungsweise Mitglieder der SPD einschließlich Landrat Stolz oder der FDP mündlich, schriftlich oder auf andere Weise – auch nur sinn- gemäß – Kenntnis vom Inhalt (oder Teilen des Inhalts) des HSGB-Gutachtens erhalten haben. Bis zum Redaktionsschluss gestern Abend lag noch keine Antwort des Bürgermeisters auf die ergänzende Anfrage von BG, CDU und Grünen vor.
Neue Stellungnahme des HSGB liegt seit gestern Nachmittag vor
Unabhängig davon ist inzwischen die neue Stellungnahme des HSGB eingetroffen, wie Glöckner gestern Nachmittag auf Anfrage mitteilte. „Die zweite ‚Beurteilung verschiedener Rechtsfragen des Akteneinsichtsausschusses Mittlauer Weg‘ ist heute um 14.08 Uhr eingetroffen“, ließ er wissen. „Bitte verstehen Sie, dass ich aus datenschutzrechtlichen Gründen hierzu keine Stellungnahme abgeben werde.“ Dazu werde der Akteneinsichtsausschuss tagen und der Stadtverordnetenversammlung eine Handlungsempfehlung aufzeigen. Der Magistrat werde in einer Sondersitzung am heutigen Dienstag die Beurteilung lesen. „Dann im Nachgang werden in der Sitzung des Akteneinsichtsausschusses die Inhalte des Dokuments vorgetragen“, erläuterte der Bürgermeister die weitere Vorgehensweise. „Aufgrund der datenschutzrechtlichen Anforderungen wird die Beurteilung des HSGB nicht weitergeleitet, da in der Beurteilung Namen und Flurstücke genannt werden.“ Über den Rückzug der Expertise habe er den Magistrat informiert, erklärte Glöckner auf die Frage, warum er im Sinne der vielfach von ihm beschworenen Transparenz nicht die Öffentlichkeit informiert habe. Aus der neuen Beurteilung des HSGB werde sich ergeben, welche zukünftigen Schritte eingeleitet werden müssten. Unbeantwortet blieb die Frage, ob der HSGB in seiner ersten Stellungnahme empfohlen habe, die öffentlichen Grünflächen nicht zu verkaufen.