„Mittlauer Weg“: Trotz eines Versprechens bleibt Glöckner Antworten schuldig. GNZ 18.09.2019
Gelnhausen-Meerholz (mb). Die Anwohner staunen nicht schlecht, als Bürgermeister Daniel Glöckner sein Notizbuch zückt und ankündigt, ihre Fragen zu den Vorgängen rund um das „Mittlauer Weg“ in Meerholz aufzunehmen. Und am Ende eines teilweise emotionalen Ortstermins versichert er den rund 80 Teilnehmern: „Ich verspreche Ihnen, die Antworten zu geben.“ Sieben Wochen nach diesem Versprechen warten die Anwohner noch immer auf die Antworten Glöckners. Aus ihrem einstigen Unmut ist längst eine ohnmächtige Wut geworden. Aufgeben kommt für sie aber nicht infrage. Sie setzen nun all ihre Hoffnungen in den Akteneinsichtsausschuss, der heute Abend zum zweiten Mal tagt.
Seit Wochen und Monaten schwelt der Konflikt um den Verkauf und die Verpachtung öffentlicher Grünflächen an Privatbesitzer im Meerholzer Neubaugebiet. Ein Großteil der Anwohner prangert das intransparente und ungerechte Vorgehen der Verantwortlichen bei der Vergabe an. Sie fühlen sich von der Stadt und der Stadtentwicklungsgesellschaft (SEG) getäuscht und um eigentlich für Freizeit und Erholung vorgesehene Flächen betrogen. Stadt und SEG haben zwar inzwischen Verstöße gegen den gültigen Bebauungsplan zugegeben. Zugleich beharren sie aber nach wie vor auf ihrem Standpunkt, dass diese Abweichungen nicht so gravierend seien und deshalb mit einer Änderung des B-Plans glattgezogen werden könnten. Dieser Konflikt zwischen rund 50 Familien einer Anwohnergemeinschaft und der Stadt beziehungsweise der SEG ist auch am „Mittlauer Weg“ nicht spurlos vorübergegangen und hat tiefe Gräben im Neubaugebiet aufgeworfen. Denn die vom Verkauf der öffentlichen Grünflächen profitierende Minderheit hat freilich kein Interesse daran, die kostengünstig hinzugewonnene Fläche wieder zurückzugeben.
Die Gretchenfrage im „Mittlauer Weg“ lautet: War der Magistrat überhaupt dazu befugt, über die Vergabe von knapp der Hälfte der öffentlichen Grünflächen an Privatbesitzer zu entscheiden? Oder hätte nicht vielmehr die Stadtverordnetenversammlung als oberstes Organ angehört werden müssen? Bürgermeister Glöckner hatte beim Ortstermin am 31. Juli versprochen, diese Frage juristisch prüfen zu lassen. Zu welchem Ergebnis diese Prüfung geführt hat, das haben die Anwohner bislang nicht erfahren. Ebenso wenig haben sie erfahren, ob eventuell eine Möglichkeit der finanziellen Entschädigung der benachteiligten Bewohner in Betracht kommt oder wie eine andere Kompromisslösung aussehen könnte.
Der Groll schaukelt sich hoch
„Entgegen der Ankündigung des Bürgermeisters haben wir nach diesem Ortstermin überhaupt keine Rückmeldung bekommen“, bedauert eine Anwohnerin im Gespräch mit der GNZ. „Da kommt man sich schon verschaukelt und nicht ernstgenommen vor.“ Es sei schon dreist gewesen, sich beim Ortstermin so hinzustellen, als ob die offenen Fragen nicht schon seit Wochen im Raum stünden, ergänzt eine zweite Anwohnerin. „Ich kann ja verstehen, dass der Bürgermeister nicht die schmutzige Wäsche seines Vorgängers waschen will, aber gefühlt blockiert er eher, als dass er zur Aufklärung beiträgt.“ Ein weiterer Anwohner flüchtet sich in Sarkasmus: „Ich bin nicht verwundert, dass das Rathaus nicht reagiert.“ Ob das Taktik sei, wisse er nicht. „Ich finde es jedenfalls sehr befremdlich, wie hier mit den Leuten umgegangen wird.“
Alle drei Anwohner, mit denen die GNZ gestern gesprochen hat, möchten ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen. Denn die Stimmung im Neubaugebiet ist nach wie vor sehr angespannt, die Fronten sind verhärtet. „Ich habe das Gefühl, dass der Groll sich langsam hochschaukelt“, berichtet die eine. Die andere spricht von einer „trügerischen Ruhe“ und einem Abwarten auf beiden Seiten. „Es ist sehr traurig, dass Nachbarn, die einen relativ guten Kontakt hatten, sich jetzt mit Vorbehalten begegnen“, findet ein Dritter. „Das ist der Punkt, den ich dem Rathaus am meisten vorwerfe: dass es so eine schlechte Stimmung geschaffen hat. Und das nur, um einigen wenigen etwas Gutes zu tun.“
Alle drei eint darüber hinaus das Gefühl der Frustration und der Ohnmacht: das Wissen, eigentlich im Recht zu sein, aber nichts unternehmen zu können, um dieses Recht auch durchzusetzen. Den juristischen Weg zu beschreiten, davor schrecken sie momentan noch zurück, da ihnen dieser Schritt nach derzeitigem Stand noch zu ungewiss und mit zu hohem finanziellen Risiko behaftet erscheint.
Hilfe von einer übergeordneten Instanz erwarten die Anwohner indes nicht. „Dass die Kommunalaufsicht des Kreises, deren Chef der damalige Bürgermeister war, sehr zurückhaltend agiert, ist nicht wirklich verwunderlich“, sagt ein Bewohner. Ihre Hoffnung setzen die Anwohner deshalb in den Akteneinsichtsausschuss, der heute um 18.30 Uhr im Sitzungssaal des Rathauses zum zweiten Mal öffentlich tagt. Vielleicht, so ihr kühner Wunsch, vermag das demokratische Mittel der parlamentarischen Kontrolle, den Mantel des Schweigens zu durchbrechen. „Wenn der Akteneinsichtsausschuss feststellt, dass der Magistrat seine Kompetenzen überschritten hat und die Vergabe illegal war, dann hätte man etwas in der Hand“, sagt eine Anwohnerin. Sie hat den Eindruck, dass in den vergangenen Wochen an vielen Stellen des Neubaugebietes die Zäune in die Höhe gewachsen seien. Dass aus den privaten am Ende wieder öffentliche Grünflächen werden, daran mag sie nicht glauben. „Ich weiß nicht, ob es eine Kompromisslösung gibt und wie diese aussehen könnte“, sagt eine zweite Anwohnerin, die ebenfalls nicht an eine Rückabwicklung glaubt. „Das würde auch zu zu großem Frust führen. Die Stadt müsste erst einmal zugeben, dass sie das nicht hätte tun dürfen. Diese Erkenntnis wäre ein guter Anfang, damit könnte man weiterarbeiten.“ Für einen dritten Anwohner gibt es indes keinen wie auch immer gearteten Kompromiss: „Es gibt einen rechtsgültigen Bebauungsplan, der großzügige Grünflächen vorsieht. Dieser Zustand muss wiederhergestellt werden.“ Es könne nicht sein, dass man zum Vorteil einiger weniger und zum Nachteil vieler im Nachhinein die Bedingungen ändere, die beim Kauf des Grundstücks gegolten hätten. „Ich dachte immer, wir leben in einem Rechtsstaat.“ Seine Hoffnungen in den Akteneinsichtsausschuss sind indes gedämpft. Und auch sein Vertrauen in die Politik ist zutiefst erschüttert. Er geht mittlerweile davon aus, dass das Stadtparlament am Ende mit den Stimmen von SPD und FDP nachträglich die Verstöße durch eine Änderung des B-Plans legitimiert. „Das wäre der Supergau.“